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Archiv-Artikel

Kalkuliertes „Wegwünschen“

betr.: „Kommunikatives Beschweigen“

In einer 1966 veröffentlichten „Rede an einen jungen Wähler, der sich versucht fühlt, die NPD zu wählen“ schreibt Günter Grass am Ende seines Textes unvermittelt und in einer merkwürdig zusammenhanglosen Weise folgenden, erstaunlich aktuellen Satz: „Er wird noch als Siebzigjähriger einen blinden Fleck in seiner Biographie vertuschen und wegwünschen wollen.“ (Günter Grass, Essays und Reden, Bd. 1, Göttingen 1993, S. 186) Kalkuliertes „Wegwünschen“, imaginierendes Beschwören eines „blinden Flecks“ – Grass hat die Leerstelle, die seine SS-Zeit in ihm hinterlassen hat, offensichtlich frühzeitig erkannt und bewusst als verschwiegenen Nicht-Ort in seiner Biographie stehen lassen wollen.

MICHAEL KRÖGER, Osnabrück