Kalk ist zum Kaufrausch verdammt

Händler und Investoren der neuen Shopping-Meile Köln Arcaden in Kalk freuen sich über gute Verkäufe. Derweil leidet der eingesessene Einzelhandel in der Nachbarschaft. Aber eine Pleite des Einkaufzentrums wünscht sich auch keiner herbei

VON BENJAMIN TRIEBE

Mehr als einen Monat nach der Eröffnung der Köln Arcaden zeigen sich Händler, Kunden und Verwaltung mehr als zufrieden über die Entwicklung der Shopping-Meile in Kalk. Wie das Management verlauten ließ, besuchten im März über eine Million Menschen das neue Einkaufszentrum, pro Tag kämen rund 40.000 Kunden. Viele Bekleidungsgeschäfte mit so genannter „junger Mode“, dazu ein Media-Markt und ein toom-Lebensmittelmarkt haben offensichtlich den Geschmack des Publikums getroffen.

Uwe Klein allerdings kann sich darüber nicht richtig freuen. Der Hauptgeschäftsführer des Kölner Einzelhandelsverbands steckt in der Zwickmühle: Seine Verbandsmitglieder finden sich sowohl in- als auch außerhalb der Shoppingpassage. Und was den Händlern in den Arcaden gut tut, bereitet manchem Kollegen an der Kalker Hauptstraße Kopfschmerzen. Besonders bei Bekleidungsgeschäften seien die Umsätze eingebrochen. „Das ist Fakt!“, bekräftigt Klein.

Auch bei den Radio- und Fernsehhändlern gebe es Probleme, und zwar nicht nur in Kalk. „Der Media Markt in den Arcaden strahlt bis in die Innenstadt ab“, sagt Klein. Der Einzelhandels-Chef befürchtet, dass der Sogeffekt außerdem noch in den Geschäftszeilen an der Deutzer Freiheit oder an der Frankfurter Straße in Mülheim zu spüren sein wird.

Nach bewährtem Muster

Die Köln Arcaden haben die Kauflustigen mit einem bewährten Plan angezogen: „Der Branchenmix hat immer dasselbe Strickmuster“, erläutert Uwe Klein. Zwei „Ankeranbieter“, davon einer am besten ein Elektronikmarkt, sicherten die Grundversorgung. Dazu kämen die üblichen Filialisten für junge Mode, wie New Yorker, H&M und S.Oliver. Die verbleibenden Geschäftsflächen würden dann an lokale Händler vermietet, um für „Lokalkolorit“ zu sorgen.

Dass die Köln Arcaden nach diesem Konzept geplant und in einer Zeit von nur 17 Monaten gebaut wurden, haben die Kunden dem Generalplaner zu verdanken, dem Unternehmen Management für Immobilien AG (mfi) aus Essen. Die Firma hat sich auf das Errichten von Shoppingmalls spezialisiert. Unter ihrer Regie wurden Arcaden unter anderem in Berlin, Gera, Zwickau und Regensburg eröffnet. Arcaden für Düsseldorf, Erlangen und Würzburg sind bereits in Planung.

Sind die Einkaufszentren einmal gebaut, übernimmt die mfi das Management. Dank dieses Geschäftsmodells erfreuen sich die Essener einer „kontinuierlich positiven Geschäftsentwicklung“, wie es aus dem Unternehmen heißt. „Die Köln Arcaden sind für uns mit 27.000 Quadratmetern Verkaufsfläche nur ein mittelgroßes Projekt“, sagt Petra Richter, Sprecherin der mfi. „Sie sind bisher sehr erfolgreich, wir sind sehr zufrieden mit dem Verlauf.“

Was die Management für Immobilien AG freut, dürfte auch der „Deutsche Immobilien Fonds AG“ (DIFA) aus Hamburg mehr als gelegen kommen. Die DIFA erwarb im September 94 Prozent der Anteile an den Köln Arcaden, den Rest teilt sich die mfi mit einer dritten Firma. „Es ist ganz normal, dass die meisten Anteile eines Projekts von einer Fondsgesellschaft übernommen werden“, sagt mfi-Sprecherin Richter. Bei der Eröffnung des Shoppingcenters lobte DIFA-Vorstand Frank Billand, dass die Arcaden „auch in wirtschaftlich schwachen Zeiten wegen des Branchenmix und der zentralen Lage eine gute Rendite bieten“.

Blühende Landschaften

Die kann der Manager im Moment auch brauchen. Die DIFA gehört zur Gruppe der Volks- und Raiffeisenbanken und ist die zweitgrößte Kapitalgesellschaft für Offene Immobilienfonds in Deutschland. Aber das schützte sie nicht vor einer kleinen Krise im Februar, als Anleger fast eine Milliarde Euro aus der Branche abzogen. Auch aus den DIFA-Fonds entnahmen die Börsianer dreistellige Millionenbeträge. Die Händler an den Immobilienmärkten hoffen jetzt auf einen Aufschwung.

Doch nicht nur die Investoren versprechen sich von Projekten wie den Köln Arcaden einen langfristigen Gewinn, auch für die Kalker Anwohner soll das Leben schöner werden. Die Arcaden sind das Herzstück des städtebaulichen Konzepts „City Forum Kalk“, mit dem das Gelände der ehemaligen „Chemischen Fabrik Kalk“ neu belebt werden soll. Rund 190 Millionen Euro haben die Investoren in ihre Arcaden gesteckt, etwa 1.200 Jobs sind dadurch entstanden. Weg von der Industrie, hin zur blühenden Dienstleistungslandschaft – diesen Strukturwandel wünschen sich manche Kölner Politiker für Kalk.

Umsatzziel verfehlt

So kann, aber so muss es nicht kommen. Der Einzelhandelsverband hat sich schon überlegt, was im schlimmsten Fall passieren könnte: Zuerst ziehen die Arcaden die Kaufkraft aus den umliegenden Vierteln an sich – die mfi rechnet mit einem so genannten „Nachfragevolumen“ von 4,3 Milliarden Euro – und dennoch erreichen sie langfristig nicht ihre gesetzten Umsatzziele. „Wir sind ja nicht per se gegen ein Einkaufszentrum in Kalk“, sagt Einzelhandelverbands-Chef Uwe Klein, „aber nicht in dieser Größenordnung.“

Wie gut die Köln Arcaden für Kalk tatsächlich sind, lässt sich frühestens in einem halben Jahr abschätzen, wenn der Eröffnungsrummel vorbei ist. Noch locken viele Eröffnungsangebote; die Kunden kommen von weit her, um die neue Shopping-Passage kennen zu lernen. Uwe Klein rechnet nicht damit, dass der Kaufrausch anhält: „Das wäre aus Sicht der Betreiber zu schön, um wahr zu sein.“