: Kalikumpel drohen
■ Massenproteste verschoben/ DDR-Regierung verspricht Gleichstellung zu Bergleuten in Wismut und Mansfeld
Berlin (dpa/taz) — Die von Entlassung und Arbeitslosigkeit bedrohten Kali-Kumpel der DDR sollen einen Sozialplan erhalten und den Bergleuten in Wismut und Mansfeld gleichgestellt werden. Dies hat die stellvertretende Regierungssprecherin Angela Merkel am Montag kurz nach Beginn der Verhandlungen mit Arbeitern mitgeteilt. In die Gespräche sei auch DDR-Ministerpräsident de Maizière eingeschaltet worden.
Zu den angekündigten Massenprotesten aller 15.000 Kali-Kumpel ist es am Montag noch nicht gekommen, allerdings wurden die Aktionen ausgeweitet. Bergleute der Mitteldeutschen Kali AG haben am Montag morgen im Raum Mühlhausen in Thüringen wichtige Fernstraßen blockiert, um ihrer Forderung nach Einhaltung der abgeschlossenen Sozialpläne Nachdruck zu verleihen. Ein Sprecher der Industriegewerkschaft Bergbau, Energie, Wasserwirtschaft (IGBEW) der DDR teilte mit, daß die zugesagten Abfindungen der Kalibergleute bislang nicht gezahlt worden seien. Der Mitteldeutschen Kali-Holding fehle das Geld, um die am 5. August gemeinsam mit Vertretern der DDR-Regierung ausgehandelten Zahlungen zu leisten.
Am Sitz der Mitteldeutschen Kali- Holding in der Südharz-Stadt Sondershausen wurde am Montag morgen das Verwaltungsgebäude des ehemaligen Kombinats versperrt. Demonstranten hinderten den Vorstand mit einem Holzkreuz vor dem Eingang am Betreten des Gebäudes. An den Aktionen nahmen nach Gewerkschaftsangaben über fünfhundert Beschäftigte teil. Auf Transparenten protestierten die Kumpel dagegen, daß seit der Umwandlung des Kombinats zur Holding-AG immer noch dieselben Funktionäre in Spitzenpositionen säßen. Außerdem verlangten sie eindeutige Angaben zur Zukunft ihres Werkes. Auch die Kali-Schachtanlagen in Menteroda und Pöthen im Südharzrevier wurden besetzt. Die Kali-Bergleute solidarisierten sich mit ihren Kollegen im Fluß- und Schwerspat-Bergbau, die bereits seit einer Woche die Grube Mommel bei Trusetal in Südthüringen unter Tage besetzt halten.
Auch in Rottleberode im Bezirk Halle halten die Protestaktionen von Bergleuten an. Sie befinden sich, wie berichtet, im unbefristeten Arbeits- Hungerstreik. Die Produktion wird während des Hungerstreiks aufrechterhalten, und die Exportaufträge werden erfüllt, eine einmalige Aktion in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung.
Die Kali-Arbeiter und die Fluß- und Schwerspatkumpel haben gestern erneut eine Ausweitung ihrer Aktionen angedroht, falls die Verhandlungen in Ost-Berlin scheitern sollten.
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