■ Kaisersaal in voller Fahrt: Techniker gedopt
Die Fatalität der Technik hat jeden schon einmal kalt erwischt. Irenes neuer Raumlufttrockner spuckte gleich nach dem Auspacken Funken. Die Festplatte von Harry havarierte natürlich, bevor er seine Steuererklärung abspeichern konnte. Und über den Zustand von Opas Bruch-Slip aus hochelastischem High-Tech-Material wollen wir kein weiteres Wort verlieren. Echt Pech, die Sache mit der Technik. Aber zum Glück hatten die Unglücksraben keine hämisch grinsenden Zuschauer.
Jetzt mußte der Elektronikriese Sony dran glauben: und das vor surrenden Satellitenkameras. „Dem Ingenieur sei nichts zu schwör“ – schon gar kein Kaisersaal –, hatte der Konzern noch laut getönt. Pech, daß die Pannenfahrt ausgerechnet einem Konzern passierte, der die Beherrschbarkeit der Technik als Markenzeichen vor sich herträgt. Doppelt Pech, daß die Erlebnisdichte der Verschiebeaktion noch auf der Baustelle am Potsdamer Platz stattfinden mußte, wo mit Superlativen nur so geprahlt wird: die höchsten Kräne, tiefsten Baugruben, die meisten „Dixi“-Klosetts und die schönsten Arbeiter. Daß da wegen ein paar Millimeter Verkantung und einer angeknacksten Schiene die blöde Vorschubpresse nicht mehr wollte; kaum zu fassen.
Jetzt wird nach Gründen, nach den üblichen Schuldigen gesucht. War der Kaisersaal zu leicht oder zu schwer? Patzte das Material, hatte man Schienen aus Ukraine-Stahl? Waren die Techniker gedopt? Oder stoppte das Unternehmen, weil gemunkelt wurde, ein schuldbewußter Denkmalpfleger hatte vor, sich in selbstmörderischer Absicht der Kaisersaal-Fahrt in den Weg zu werfen? Alle Fragen offen? Jetzt heißt es Augen zu und durch. Egal wie und mit voller Fahrt. Abriß/Aufbau
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