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Archiv-Artikel

Kämpfen bis zur großen Koalition Kommentar von STEFAN REINECKE

Der Republik steht ein Lagerwahlkampf bevor – und zwar ein sehr seltsamer. SPD und Grünen werden gegen die schwarze Republik ins Feld ziehen. Doch auch bei wohlwollender Prüfung der Wahlanalysen aus NRW und der Umfragen spricht nichts dafür, dass eine rot-grüne Mehrheit bis zum Herbst im Bereich des Möglichen liegt. Und damit hat sich die Schröder-SPD in eine paradoxe Lage manövriert.

 Denn bei diesen Neuwahlen kann die SPD, wenn es gut läuft, vielleicht eine absolute schwarz-gelbe Mehrheit verhindern und ein Patt erreichen. Dann wäre eine große Koalition möglich.

 All das ist höchst vage – aber für die SPD die einzige halbwegs realistische Hoffnung, die sie mit dieser Wahl verbinden kann. Hier offenbart sich das Paradox, das auch Schröders Zauberkünste nicht auflösen wird: Wie mobilisiert man glaubwürdig für einen krachenden Lagerwahlkampf, an dessen Ende bestenfalls eine Koalition mit dem Gegner stehen wird? So wird Rot-Grün einen vor Rhetorik qualmenden Wahlkampf inszenieren, den alle mitmachen werden und an den kaum jemand glaubt. Am allerwenigsten die Grünen, die Schröder bei seinem Neuwahlen-Coup bezeichnenderweise gar nicht mehr fragte.

 So wird Schwarz-Gelb am 18. September 2005 gewinnen – es sei denn, es kommt noch ein Krieg oder ein Wunder dazwischen. Oder Guido Westerwelle, bei dem die Kluft zwischen der Ambition, Superminister zu werden und seiner Fähigkeit dazu, grell ins Auge fällt. Muss man sich also jetzt schon vor dem CDU-Staat fürchten? Manche ja. Die Arbeitslosen werden noch mehr als unter Schröder drangsaliert, ohne dass ihre Zahl abnehmen wird. Richtig finster sieht es bei den grünen Themen aus, bei Ökologie, Energiepolitik und Landwirtschaft, wo eine echte Wende ins Vorgestern droht.

 Doch das kulturelle Rollback, das manche befürchten, die aggressive Etablierung einer deutschen Leitkultur, wird wohl ausfallen – so wie schon Kohls „geistig-moralische Wende“ 1983. Wenn die Union Familie, Nation, Patriotismus zu verbindlichen Werten machen will, wird sie scheitern. Die Gesellschaft ist, in Fragen des Lebensstils, viel zu autonom, um von der Politik steuerbar zu sein.