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Archiv-Artikel

Kabinettsklausur – kein Grund für Beifall KOMMENTAR VON JENS KÖNIG

Die neue Regierung regiert. Das ist schön – aber auch das Mindeste, was man von ihr erwarten kann. Dass die große Koalition das pragmatisch und unaufgeregt tut, ist nicht zuallererst das persönliche Verdienst ihrer Minister. Dieser Stil liegt vielmehr in der Natur dieses Bündnisses der beiden Volksparteien. Das schwarz-rote Kabinett symbolisiert die gesellschaftliche Mitte und damit das Strebsame, Kleinbürgerliche der deutschen Politik. Verkörpert wird sie darin von den beiden Protagonisten Angela Merkel und Franz Müntefering geradezu idealtypisch.

Das mag erklären, warum die neue Regierung nur wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt in der Bevölkerung bereits beträchtliches Vertrauen genießt. Für den Erfolg der Koalition ist das jedoch nicht von Belang, auch wenn manche journalistische Kommentatoren so tun, als könne man in Deutschland mit ein bisschen Pragmatismus die ganze Politik neu erfinden. Am Ende zählt weder gute Stimmung noch noble Haltung, sondern allein das, was hinten rauskommt. Auf diese Banalität hat die erste Kabinettsklausur dankenswerterweise wieder den Blick gelenkt.

Angesichts der Ergebnisse von Genshagen besteht kein Grund für Beifall. Das 25 Milliarden Euro umfassende „Konjunkturprogramm“ ist in manchen Einzelheiten bemerkenswert, aber insgesamt kein politisches Meisterwerk. Zusätzliches wirtschaftliches Wachstum ist damit kaum zu erzeugen, denn zu wenig Geld wird über zu viele Jahre gestreckt. Ganz zu schweigen davon, dass dieser „Pakt für Beschäftigung“ für die fünf Millionen Arbeitslosen und die vielen Niedriglohnjobber nur ein Witz ist. Außerdem kann auch die neue Regierung nicht so tun, als vergesse sie für ein Jahr mal die Haushaltskonsolidierung.

Die schamhaft auf 2007 verschobene Mehrwertsteuererhöhung droht das einzureißen, was die Koalition in diesem Jahr aufzubauen vorgibt: die Zuversicht auf bessere Zeiten. „Wir haben beschlossen, dass Deutschland ins Endspiel der Fußball-WM kommt“, sagte Müntefering nach der Klausur scherzhaft. Von ähnlicher Wundergläubigkeit sind auch andere Beschlüsse von Genshagen getragen.