Kabinett beschließt Haushalt 2009: Minister mit Glück
Gute Lage dank Konjunktur und höhere Staatseinnahmen: Alle Kollegen sind zufrieden mit dem Haushalt 2009, den Finanzminister Steinbrück penibel geschnürt hat.
BERLIN taz Peer Steinbrück hat eine historische Aufgabe. Der Bundesfinanzminister von der SPD bekämpft ein Trauma, unter dem die deutsche Sozialdemokratie seit 40 Jahren leidet. Es ist das Stigma, nicht mit Geld umgehen zu können. Um die Schatten der Vergangenheit zu verdrängen, lieferte Steinbrück am Mittwoch "empirische Beweise". Nachdem das Bundeskabinett seinen Haushaltsplan für 2009 gebilligt hatte, verkündete der sozialdemokratische Finanzminister: Bis 2011 soll die Neuverschuldung im Bundeshaushalt auf null sinken - erstmals seit Ende der 1960er-Jahre.
"Wir sind erfolgreich", gab Steinbrück selbstbewusst bekannt. Der Beleg: Zu Beginn seiner Tätigkeit als Finanzminister im Jahr 2005 habe die "strukturelle Lücke" im Bundeshaushalt gut 50 Milliarden Euro betragen. Um diesen Betrag lagen die Einnahmen unter den Ausgaben. Im kommenden Jahr solle diese Lücke noch 14,8 Milliarden Euro ausmachen, bevor sie 2012 verschwinden werde, ließ Steinbrück wissen.
Nur auf sich allein gestellt, hätte der Finanzminister das nicht geschafft. Er hat auch Glück: 2005 begann der Aufschwung, der immer noch anhält. Außerdem kann eine große Koalition mitunter mehr bewerkstelligen als eine Regierung mit knapper Mehrheit wie Rot-Grün unter Kanzler Schröder. Beispiel: die Anhebung der Mehrwertsteuer, die die Staatseinnahmen um mehr als 20 Milliarden erhöhte. Hinzu kommt Steinbrücks Rolle im Kabinett als Stabilisator der Koalition, dem Kanzlerin Merkel vertraut. Ohne diese Verbindung wäre die relative Haushaltsdisziplin nicht möglich.
Während die Steuereinnahmen dank der Konjunktur 2009 um rund 4 Prozent auf 248,7 Milliarden Euro steigen sollen, wachsen die Ausgaben nur um 1,8 Prozent auf 288,4 Milliarden. Die strukturelle Lücke von 14,8 Milliarden Euro will Steinbrück 2009 mit 4,3 Milliarden unter anderem aus Privatisierungen und neuen Schulden in Höhe von 10,5 Milliarden schließen.
Von den zusätzlichen Ausgabewünschen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro, mit denen die Ministerien in die Haushaltsverhandlungen zogen, sind nach Angaben des Finanzministeriums nun noch 2,9 Milliarden Euro übrig geblieben. Davon erhält Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) rund 300 Millionen Euro zusätzlich, um Forschung und Entwicklung zu stärken. Den größten prozentualen Zuwachs verzeichnet mit 56,3 Prozent Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), weil in seinem Haushalt zusätzliche Einnahmen aus dem Emissionshandel und Ausgaben für den Klimaschutz verbucht werden. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) kann rund 1 Milliarde Euro mehr für den Neu- und Ausbau von Straßen und Bahntrassen ausgeben. Auch der Haushalt von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wächst stark, weil bei ihr ein höherer Zuschuss des Staates an die Krankenversicherungen zu Buche schlägt. Der Etat von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nimmt um immerhin 10,5 Prozent oder 530 Millionen Euro zu. Davon bezahlt werden "Maßnahmen zur Terrorabwehr", der neue BOS-Digitalfunk der Polizei und 130 zusätzliche Planstellen beim Bundeskriminalamt.
Geringere Ausgaben hat Steinbrück bei der "Bundesschuld" veranschlagt: Wegen der sinkenden Neuverschuldung werden die Zinszahlungen geringer. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) gibt weniger Geld für Arbeitslose aus, weil mehr Menschen einen Job haben. Und Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) verbucht einen kleinen Rückgang, weil das alte Erziehungsgeld ausläuft.
Alles in Butter also? Ein Trauma kann die SPD vielleicht heilen. Ein zweites freilich bleibt bestehen: Was leistet der Haushalt für Chancengleichheit und Gerechtigkeit? Da hat Peer Steinbrück die Antwort des Staatsmannes parat: "Wir investieren in die Zukunft."
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