Kabinett Erdoğan in der Türkei: Der Schwiegersohn als Finanzminister
Der türkische Staatschef Erdoğan ist im neuen Präsidialsystem noch mächtiger als zuvor. Sein Kabinett ist um einen Verwandten reicher.
Zu seinen ersten Entscheidungen gehörte auch, dass er sich per Dekret eine stärkere Kontrolle über die Zentralbank verschafft, wie er es im Wahlkampf angekündigt hatte. An den Finanzmärkten sorgten dies am Dienstag für Verunsicherung. Die bereits seit längeren gebeutelte Landeswährung Lira geriet weiter unter Druck. Die Istanbuler Börse gab nach.
„Wir lassen das System zurück, das unser Land in der Vergangenheit einen hohen Preis im politischen und wirtschaftlichen Chaos gekostet hat“, sagte Erdoğan bei der Vorstellung seiner Regierung. Mit dem neuen Präsidialsystem wurde das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft. Der Präsident wählt sein eigenes Kabinett, ernennt die Minister, kann Beamte abberufen und mit Dekreten teilweise das Parlament umgehen.
Die Verfassungsänderungen sind laut Erdoğan nötig, um die Wirtschaft anzuschieben und die Sicherheit nach dem Putschversuch vor zwei Jahren zu gewährleisten. Den hohen Zinsen und der Inflation im Land sagte er den Kampf an.
Türkische Lira verliert an Wert
Erdoğans ersten Erlasse betrafen dann auch die Zentralbank: Deren Chef wird künftig vom Präsidenten und nicht mehr vom Kabinett ernannt, seine Amtszeit um ein Jahr auf vier Jahre verkürzt. Der selbsterklärte Zinsgegner hatte vor seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl im Juni angekündigt, die Notenbank an die kurze Leine zu nehmen. Die Zentralbank bleibe zwar auch nach der Umstellung auf das Präsidialsystem unabhängig. Doch die Währungshüter könnten die vom Staatsoberhaupt ausgehenden Signale nicht ignorieren, sobald das neue System etabliert sei.
Die Teuerung in der Türkei ist derzeit mit etwa 15,4 Prozent so hoch wie seit 14 Jahren nicht mehr. Die türkische Lira hat gegenüber dem Dollar ein Fünftel ihres Wertes in diesem Jahr verloren. Erdoğan hat dafür auch immer wieder Spekulanten aus dem Ausland verantwortlich gemacht.
An den Finanzmärkten sorgten Erdoğans Personalentscheidungen für Verunsicherung. Die Investoren verschreckte vor allem, dass der marktfreundliche Ex-Vize-Ministerpräsident Mehmet Simsek nicht mehr der Regierung angehören wird. „Insgesamt betrachtet deutet alles darauf hin, dass Erdoğan seinen direkten Einfluss auf politische Schlüsselbereiche sofort erhöhen wird, ohne sich dabei groß von Experten beraten zu lassen“, schrieben die Analysten der Commerzbank in einer Studie.
Erdoğans Anhänger sehen in den Verfassungsänderungen einen Lohn für einen Politiker, der seit 15 Jahren die Geschicke des Landes bestimmt und dabei islamische Werte ins Zentrum gestellt hat. Die fromme Arbeiterschaft wurde von ihm gefördert sowie der Bau von Flughäfen, Krankenhäuser und Schulen vorangetrieben.
Seine Gegner werfen ihm vor, das Land in einen autoritären Staat zu verwandeln, von westlichen Werten wie Meinungsfreiheit und Demokratie abzurücken sowie die säkularen Strukturen zu zerstören, die der Gründer der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, aufgebaut hat.
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