KÜNAST STOPPT DAS WALDSTERBEN UND FREUT SICH – LEIDER ZU FRÜH : Kleine Gags im Sommer
„Unsere Wälder sind schöner geworden. Ich kann nur dringend empfehlen, am Sonntag einen Waldspaziergang zu unternehmen“, riet Renate Künast gestern in der Welt am Sonntag. Geh aus, mein Herz, und suche Freud’, möchte man rufen. Die grüne Landwirtschaftsministerin hat das Waldsterben gestoppt. Toll! Ach, und weil es so schön ist, gleich ein Lob an die ganze rot-grüne Regierung.
Halt, stopp! Für die positive Meldung gibt es keine naturwissenschaftliche Grundlage, einen aktuellen Anlass auch nicht. Der Waldzustandsbericht, auf den sich Künast beruft, wurde bereits Ende letzten Jahres veröffentlicht – und kommt zu völlig anderen Ergebnissen. Zwar sind die Kronen von Buche, Fichte und Tanne in den letzten Jahren tatsächlich grüner und dichter geworden, aber immer noch sind zwei Drittel der Bäume geschädigt. Das sind mehr als Anfang der Achtzigerjahre. Zwar geht es den Eichen nicht mehr ganz so dreckig wie Mitte der Neunziger, dennoch leiden sage und schreibe dreimal mehr als vor zwanzig Jahren! Damals, als den Menschen Horroszenarien von Baumleichen durch die Köpfe spukten.
Nur in einem hat Renate Künast Recht: Das Schwefeldioxid, bisher Baumkiller Nummer eins, hat abgenommen. Dafür belasten nun aber Stickstoffoxide aus dem Autoauspuff und Ammoniak aus Gülle und Düngemitteln den Wald. Wer nur zum sonnenbeschienenen Laubdach schielt, sieht deren Folgen nicht: Die Böden versauern, die Baumwurzeln verkümmern, können Schadstoffe nicht mehr filtern, der Wald wird vergiftet.
Die Bundesregierung schaut nach oben. Anders ist nicht zu erklären, dass die Warnungen von Forstwirten und Umweltverbänden verpuffen: Kaum ein Wort zum Schutz des Waldes im Koalitionsvertrag, kaum eine konkrete Maßnahme in der bisherigen Regierungszeit. Als Landwirtschaftsministerin hat sich Renate Künast einen Namen gemacht, doch beim Thema Wald hat sie Nachholbedarf. Buchen und Tannen nützt der Optimismus der Ministerin nämlich nichts.
Zwar klingt der Hinweis auf das Waldsterben heute nach unmoderner Ökohysterie. Für kleine Gags im Sommerloch ist das Thema aber zu ernst.
HANNA GERSMANN