KURZKRITIK: „NR. 8“, TANZTHEATER-URAUFFÜHRUNG : Ideale Erstbegegnung
Die Kunst des Flaneurs ist das geistreiche Wahrnehmen, draußen in der wilden Komplexität des Realen. Ideal zur Einübung präsentiert sich Ina Christel Johannessens Choreografie „Nr. 8“: Gespielt wird auf der Bühne des Lebens, also auf einer Ballettprobe, in einer Tanzschulstunde oder Disconacht.
Schau, ein kleines Monodrama der Entpuppung: sich aus dem schlichten Dasein in ein Selbstsein hineinerfinden. Und dort: ein Dramolett des Aufmerksamkeitheischens, Geliebtwerdenwollens, Macht-, Verführungs-, Partner-wechsel-dich-Theater, immer lächelnd den Ausweg der Ironie sich offenhaltend. Simultane Szenen greifen ineinander, pulsieren auseinander, das Ensemble feiert die Leichtigkeit tänzerischer Kreativität.
Und doch wirkt alles wie aus einem Guss. Mehr ist bei der Erstbegegnung von Ensemble und Choreografin nicht möglich. Ob uns all das auch was sagen soll? Ach, wer sich angesprochen fühlt, mag den dramaturgischen Überbauversuchen hinterhergrübeln – dem Hantieren mit Zahlenmystik, einem Tarotkarten-Bühnenbild, dem Schwan, der wie Zeus mit der Leda kuschelt, oder Pin-Chieh Chen, die als „Nr. 8“ den Tod, die Ewigkeit zu tanzen hat. Flaneuren ist das zu unausgegoren, sie genießen den Abend als sinnlich betörenden Ästhetizismus des reinen Tanzes. Bedauerlich, dass dieses formidable Oldenburger Ensemble kommende Spielzeit nur noch mit einer einzigen Produktion in Bremen gastiert. JENS FISCHER
Nächste Aufführung: Samstag, 20 Uhr, Neues Schauspielhaus