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Archiv-Artikel

KURZKRITIK: HENNING BLEYL ÜBER ROLANDO VILLAZÓN Mr Bean meets Monteverdi

Dirigentinnen sind auf dem Musikfest so rar wie fast überall im klassischen Musikgeschäft. Männer geben den Ton an, nur zu Füßen des Maestro-Podestes darf sich die Szene wieder mischen. Emmanuelle Haïm, die jetzt den Monteverdi-Abend des Musikfests leitete, brachte nur ein überschaubares Ensemble mit auf die Bühne – durfte andererseits jedoch einen der größten Musik-Machos der Gegenwart dirigieren: den mexikanischen Megastartenor Rolando Villazón.

Steckt man den in eine große Opernproduktion, wie etwa vergangenes Jahr beim Musikfest als Titelheld in Mozarts „Lucio Silla“, staut und vergeudet sich Villazóns unbändige Energie ein wenig im steten Bedürfnis, jederzeit und so raumgreifend wie möglich „über die Rampe“ zu kommen. In einem eher kammermusikalischen Setting wie jetzt in der „Glocke“ sind seine Qualitäten wesentlich genauer zu studieren.

Wenn jemand wie Villazón die von Monteverdi bahnbrechend entwickelte Einheit von Gefühl und musikalischem Affekt mit Leben und Stimme füllt – dann ist die Unmittelbarkeit des Ausdrucks derart groß, dass das Mediale von Musik, ihre Bindung an Form und Physik, tatsächlich zerschmelzen. Übrig bleiben: Erregung, Gefühl, Energie.

Villazón ist einer, der unablässig liefert. Der ohne Intensität nicht kann. Dabei ähnelt er in bemerkenswerter Weise Rowan Atkinson – also Mr Bean. Nicht nur äußerlich und mimisch, sondern auch in seiner schier unstillbaren Lust an körperlicher Clownerie. Technisch besser, stimmlich effizienter ist natürlich eine Sängerin wie die Niederländerin Lenneke Ruiten, deren klarer Sopran mühelos die Tiefe des großen „Glocke“-Saals durchschwingt – und dabei, vor allem in der Tränen-Arie aus Luigis Rossis „Orfeo“, unglaublich dichte Momente schaffte. Villazóns über die Musik hinaus gehender „Mehrwert“ besteht wiederum darin, alle mit seinem unerschöpflichen Spielelan anzustecken. Und so eine Atmosphäre lustbetonter Emotionalität zu schaffen – die den Spaß, auf einer Bühne zu stehen, bei allen Beteiligten spürbar werden lässt.