KURZKRITIK: HENNING BLEYL ÜBER DEN MUSIKFEST-„ELIAS“ : Bürgerliches Rauschmittel
Der „Elias“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy ist ein Werk, mit dem sich gern große Laienchöre austoben. Wenn stattdessen führende Profi-Ensembles wie der Swedish Radio Choir auf der Bühne stehen, auch noch das Mahler Chamber Orchestra unter Daniel Harding, sind Klangqualität, Präzision und musikalische Durchschlagkraft natürlich in andere Sphären gehoben. Ein solches Künstleraufgebot kann man zu Recht als „frühen Höhepunkt“ des Musikfestes annoncieren. Doch das Werk selbst, seit seiner Entstehung Mitte des 19. Jahrhunderts ungebrochen beliebt, wird dadurch weder vielschichtiger noch von seiner Tauglichkeit als bürgerliches Aphrodisiakum befreit.
Der Rausch der gewaltigen Choreinsätze, die das Oratorium mit der Wucht und Siegesgewissheit des sich emanzipierenden Bürgertums aufladen, korrespondiert mit einem lieblich-lyrisch „Volkston“, der vornehmlich Sache der Solisten ist. Bei den Männern steht dafür mit Michael Schade und Thomas Quasthoff ein höchst heterogenes Paar zur Verfügung. Michael Schade ist eine große Zikade: Unermüdlich produziert seine dichte, Oberton-orientierte Stimme Arien und Rezitative – ein makellos schalmeiender Tenor, dessen perfekte Stimmführung jedoch wenig Nuancenreichtum und Individualität spüren lässt. Bei Quasthoff hingegen fällt das extrem breite Klangspektrum auf: Nicht viele Bassbaritöne klingen in der Tiefe so bronzen und sind zugleich zu zart-tenoralem Schmelz befähigt. Die Registerwechsel sind nicht durchgängig geschmeidig. Aber immer ist die Stimme voller emotionaler Dichte und feiner Expressivität – weit mehr, als man für den „Elias“ braucht.