KURZKRITIK: ANDREAS SCHNELL ÜBER HERBIE HANCOCK IN DER GLOCKE : Der will nur spielen
Etwas erfahrenere Hancock-Konzertgänger berichten von auch manchmal eher lustlosen Angelegenheiten – was natürlich kaum die Regel sein dürfte. Jedenfalls war es am Montagabend in der Glocke ganz anders. Der Meister und seine Entourage gaben dem Publikum zweieinhalb Stunden beste funky Unterhaltung. Und das Publikum dankte es mit stehenden Ovationen.
Dass dieser Mann 70 sein soll – man glaubt es kaum. Nicht, dass das Konzert makellos gewesen wäre. Ein Teil des Programms stammte von dem aktuellen Album „The Imagine Project“, das er mit Gästen wie Oumou Sangare, Jeff Beck, Pink, Los Lobos, Wayne Shorter und Chaka Khan aufgenommen hat. Auf seiner aktuellen Tournee wurden die teils von der jungen Sängerin Kristina Train (mit süffigem Southern-Soul-Gefühl) und Keyboarder Greg Phillinganes vertreten, teilweise kamen sie auch von der Festplatte. Das funktioniert schon auf dem Album nicht durchgängig, und auch am Montag ging ein schlichter Song wie „Don’t Give Up“ (im Original von Peter Gabriel und Kate Bush) in Synthesizer-Kitsch unter. Das Kernstück des Abends, ein Medley aus Hancock-Standards wie „Maiden Voyage“ und „Cantaloupe Island“, bot indes Hancock und seinen Begleitern – darunter neben den Genannten der exzellente Gitarrist Lionel Loueke, der Bassist James Genus und Schlagzeuger Trevor Lawrence jr. – viel Gelegenheit, ihre Stärken auszuspielen. Routiniert virtuos versteht sich, aber mit überschäumendem Witz.