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KSZE-November-Gipfel soll es bringen

■ Genscher und Schewardnadse bereiteten sich in Münster auf neue Zwei-plus-vier-Runde vor: Bis November „einvernehmliche Lösung“ erhofft / „Nahezu deckungsgleiche Positionen“ in einigen Fragen / Teilnehmer der Verhandlung über deutsche Armee strittig

Münster (ap/dpa) - Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und sein sowjetischer Kollege Eduard Schewardnadse sind sich trotz einer Reihe noch offener Fragen einig, daß dem KSZE-Gipfel im November eine einvernehmliche Lösung der außen- und sicherheitspolitischen Probleme der deutschen Vereinigung präsentiert werden soll. Das sagten Genscher und Schewardnadse am Montag nach einer sechseinhalbstündigen Unterredung in Münster, wo sie sich auf die neue Zwei-plus -vier-Runde der Außenminister beider deutscher Staaten und der vier Siegermächte am Freitag in Ost-Berlin vorbereiteten.

Wie schon vor einer Woche in der weißrussischen Stadt Brest sprach Genscher auch in Münster von weiteren Fortschritten in einer Reihe von Fragen. „Nahezu deckungsgleich“ nannte Schewardnadse die Ansichten in der Frage der Neugestaltung des Verhältnisses der Mitgliedstaaten von Nato und Warschauer Pakt. Der sowjetische Außenminister teilte mit, daß er die Vorstellungen seiner Regierung von einem solchen neuen Verhältnis zwischen den Bündnissen den anderen europäischen Regierungen schriftlich übermittelt habe. Auch was die Institutionalisierung der KSZE angehe, könne fast von einer Identität der Ansichten gesprochen werden: Beide Seiten wollten ständige Konferenzen der Regierungschefs sowie der Außen- und Verteidigungsminister und die Schaffung von Zentren zur Konfliktverhütung und zur Überprüfung vereinbarter Abrüstungsschritte. Die Zentren sollten nach sowjetischer Ansicht in Berlin ihren Sitz haben.

Laut Schewardnadse bestand ferner Übereinstimmung, die Wiener Verhandlungen zur konventionellen Abrüstung zu beschleunigen, damit es in nächster Zukunft zu einer wirklichen Reduzierung kommen könne. Ein solches Abkommen werde dann den KSZE-Gipfel ermöglichen. Schewardnadse wies aber auch darauf hin, daß „Probleme, die immer noch recht beunruhigend für uns sind“, zu bereinigen seien. Auf Fragen nannte er an erster Stelle die Synchronisierung des deutschen Einigungsprozesses mit dem Aufbau neuer europäischer Strukturen und die Schaffung entsprechender Sicherheitsgarantien. Ferner müsse es in Wien tatsächliche Truppenreduzierungen geben. Offen sei auch noch die Schaffung eines gesamteuropäischen Wirtschafts- und Rechtsraumes.

Meinungsverschiedenheiten zwischen Genscher und Schewardnadse klangen an in der Frage der Truppenstärke einer gesamtdeutschen Armee. Während Schewardnadse dieses Problem auf der Tagesordnung der Zwei-plus-vier -Verhandlungen sehen wollte, bestand Genscher auf einer Lösung im Rahmen der Wiener Abrüstungsverhandlungen, da Gesamtdeutschland nicht singularisiert und nicht diskriminiert werden dürfe.

Weiteres Thema der Beratungen war das Verhältnis Gesamtdeutschlands zur Sowjetunion. Beide Minister waren sich einig, vor der Zwei-plus-vier-Runde in Paris, die am 17. Juli in Anwesenheit des polnischen Außenministers stattfinden soll, noch ein weiteres bilaterales Treffen zu verabreden.

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