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Archiv-Artikel

KRIEG GEGEN DEN TERROR: AMNESTY INTERNATIONAL SCHLÄGT ALARM Angriff auf die Grundwerte

Der Krieg gegen den Terror ist zum Krieg gegen die Menschenrechte degeneriert. Amnesty international bilanziert eine weltweit dramatische Zunahme von Menschenrechtsverletzungen, die auf überzogene Sicherheitsinteressen vieler Regierungen zurückgehen. So stieg die Zahl der Staaten, in denen Menschen gefoltert und misshandelt werden, 2003 um ein Viertel – von 106 auf 132. Erschreckend hierbei ist, dass selbst in Rechtsstaaten absolute Verbote des Völkerrechts wie das Folterverbot nicht mehr tabu sind. Wenn sogar in europäischen Ländern wie Deutschland darüber diskutiert wird, ob „ein bisschen Folter“ nicht doch hilfreich sein könnte, geht es ans Grundsätzliche. Mühsam erreichte Grundwerte drohen verloren zu gehen.

Dass Vertreter westlicher Staaten, deren Gesellschaften sich schon immer für zivilisierter hielten als den Rest der Welt, anderswo oft wenig zivilisiert auftreten, ist für die Nachkommen kolonisierter Völker nicht neu. Trotzdem fügen die bekannt gewordenen Fälle der Folter in US-Militärgefängnissen im Irak und in Afghanistan allen Bemühungen, den Menschenrechtspakten weltweit zur Geltung zu verhelfen, schweren Schaden zu. Dabei verletzt schon die Schaffung eines extraterritorialen Lagers wie Guantánamo, das juristisch nicht überprüft werden kann, rechtsstaatliche Grundprinzipien. Wenn die US-Regierung bei der UN-Menschenrechtskommission Menschenrechtsverletzungen auf Kuba beklagt, ohne auch an Guantánamo zu denken, droht sich die Menschenrechtsrhetorik als ideologisches Geschwätz zu entlarven. Warum sollten Chinas Kommunisten auf US-Menschenrechtskritik hören, wenn auch Washington für sich internationale Konventionen relativiert?

Der Krieg gegen den Terror zeigt die Absurdität: In Afghanistan können heute Menschenrechtsorganisationen aufgrund jahrelangen, nicht zuletzt auch amerikanischen Drucks jedes Gefängnis besuchen – außer die US-Militärgefängnisse. Der Krieg gegen den Terror ist so aber nicht zu gewinnen, weil die westliche Führungsmacht selbst die Prinzipien bricht, die sie angeblich verteidigen will. SVEN HANSEN