KRANK DURCH ALKOHOL UND TABAK: Berliner sterben für ein Bier

Der Berliner säuft und trinkt zu viel. Die Hälfte aller frühzeitigen Todesfälle geht auf Nikotin und Alkohol zurück. Das will die Gesundheitssenatorin jetzt ändern.

Alter Tipp: Trink in Maßen, nicht in Massen Bild: dpa

Der Berliner ist ein ambivalentes Wesen. Eigentlich steht er gesundheitlich ganz kernig da: Seine Lebenserwartung steigt stetig, er produziert wieder mehr Kinder als Todesfälle. Das aber könnte noch viel besser aussehen, würde er nicht so ungesund leben. Die Hälfte aller frühzeitigen Todesfälle in der Stadt sind nach neuesten Zahlen "vermeidbar". Schuld sind vor allem Alkohol und Nikotin. Auch psychische Erkrankungen nehmen zu.

Dies sind die Kernergebnisse des aktuellen, 800 Seiten starken Berliner Gesundheitsberichts, den Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Mittwoch vorstellte. Im Fokus: die Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahre. Die gute Botschaft vorweg: Die Berliner setzen wieder mehr Kinder in die Welt. 32.104 Babys wurden 2009 geboren - 168 mehr als 2008. Und auch die Lebenserwartung steigt weiter - bei Frauen auf 82, bei Männern auf 76,9 Jahre. 1993 lag diese noch jeweils vier Jahre darunter.

Wie alt aber könnte der Berliner werden, würde er nur gesünder leben. Dies gilt vor allem für Männer. Die Hälfte der 4.200 Männer, die 2008 vor dem 65. Lebensjahr starben, zählen als "vermeidbare Sterbefälle". Der Hauptgrund: Lungenkrebs. Darauf folgt das Trinken: Die Sterblichkeit von Alkoholsucht liegt bei Berliner Männern um 85 Prozent und bei Frauen um 66 Prozent über dem Bundesniveau. Dies betrifft 2,2 Frauen und 8,6 Männer pro 100.000 Sterbefällen. Die Rate korreliert stark mit der Sozialstruktur des Wohnorts: In Mitte und Neukölln liegt sie höher, in Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf niedriger. Besonders drastisch Marzahn-Hellersdorf: Hier stiegen 2008 die alkoholbedingten Todesfälle bei Männern um mehr als zwei Drittel.

Sabine Hermann von der Gesundheitsverwaltung sieht die hohen Berliner Zahlen regional begründet. "Im Osten wird mehr getrunken, das war schon zu DDR-Zeiten so." Zudem seien vor allem Männer betroffen: Diese lebten weniger gesundheitsbewusst, würden seltener zu Vorsorgeuntersuchungen gehen. Und: Offenbar lässt der Berliner nicht gern von Molle und Korn. Laut Martin Plass von der DAK seien in Berlin bundesweit am wenigsten Menschen bereit, ihren Alkoholkonsum einzuschränken. "Da fehlt es an Problembewusstsein", so Plass.

Der Bericht konstatiert auch ein zweites Problem: Immer mehr Berliner sind psychisch krank. Wegen keiner anderen Erkrankung wurden mehr Menschen 2008 ins Krankenhaus eingewiesen - insgesamt 45.400. Rund 38 Tage jährlich bleibt ein Arbeitnehmer aus diesem Grund zu Hause. Hier sieht DAK-Mann Plass die Schuld in der Metropolensituation: In Berlin würden sich Jobangst, Arbeitsbelastung und wachsender Konkurrenzdruck stärker bündeln als anderswo. "Darauf regieren offenbar immer mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen."

Für Lompscher sind auch eine größere Sensibilisierung und das hohe Behandlungsangebot ursächlich. "Psychische Krankheiten sind kein Tabu mehr." Auch hier entscheidet sich, wer psychisch krank wird, nach dem Wohnort. "Gute Sozialstruktur, weniger Krankheiten", fasste Lompscher zusammen.

Die aufrüttelnden Zahlen des Gesundheitsberichts will Lompscher nicht so stehen lassen. Suchtprävention und die Gesundheitsförderung erwerbsloser Menschen sollen verstärkt werden, so die Senatorin. Weiterer Präventionsschwerpunkt werden trinkende Kinder sein. Jährlich würden in Berlin Alkoholvergiftungen von Kindern 1,6 Millionen Euro Behandlungskosten verursachen. "Das kann nicht sein, Alkoholmissbrauch ist kein Bagatellthema", so Lompscher.

Die Opposition bezeichnete den Bericht als bezeichnend. "Ob Nichtraucherschutzgesetz oder Alkoholmissbrauch von Kindern - der rot-roten Gesundheitspolitik ist kein verbessertes Gesundheitsverhalten der Berliner gelungen", monierte der CDU-Abgeordnete Mario Czaja.

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