KONGOS NEUER KRIEG STELLT DIE FRIEDENSMISSIONEN DER UNO INFRAGE : Der Blauhelm ist leer
Was ist das für ein Friedensprozess, in dem die Partner einer Regierungskoalition gegeneinander in den Krieg ziehen und hunderttausende Menschen vor neuer Gewalt fliehen müssen? Der neue Krieg im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist schlimmer als vieles, was während des „großen“ Kongokrieges geschah, der offiziell 2003 endete. Sogar Gegenden, die einst als sicher galten, werden heute von marodierenden Soldaten verwüstet.
Der Unterschied zur Zeit vor 2003: Heute sind tausende internationale Eingreiftruppen im Ostkongo stationiert. Die Region ist Schwerpunkt des UN-Blauhelmeinsatzes im Kongo, die schwierigste und kostspieligste UN-Friedensmission der Welt. Die UN-Soldaten sollen die Einhaltung des Waffenstillstands zwischen Kongos Kriegsparteien sichern und Zivilisten vor Gewalt schützen.
Das gelingt allerdings nicht. Kein Wunder: Welcher indische UN-Soldat wüsste einen regierungstreuen von einem rebellierenden Kongolesen zu unterscheiden, einen Kongolesen von einem Ruander, einen zerlumpten irregulären Milizionär von einem zerlumpten regulären Soldaten? Und selbst wenn zu den 4.000 UN-Soldaten in Kongos Kivu-Provinzen noch 40.000 dazukämen, würde sich das nicht ändern.
Die UNO im Kongo hat sich längst diskreditiert. Die Unfähigkeit, den anhaltenden Milizenterror zu verhindern, von größeren Kampfhandlungen wie jetzt völlig abgesehen; die ausufernden Skandale um sexuellen Missbrauch von Flüchtlingen durch UN-Personal; die Ahnungslosigkeit, was die militärische Präsenz Ruandas im Ostkongo angeht – all dies hat die Kongolesen zu dem Schluss gebracht, dass die UNO nichts wert ist.
Welchen Sinn haben solche Einsätze also, wenn unter den Augen der UNO der Krieg im Kongo brutaler ist denn je? Einige UN-Verantwortliche ahnen bereits die Konsequenz. Jenseits aller Reformdebatten im Sicherheitsrat – in den Bergwäldern von Kivu, im endlosen Drama von Kongos Zerfall – entscheidet sich die Glaubwürdigkeit der Weltorganisation. DOMINIC JOHNSON