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Archiv-Artikel

KONGO: DIE BEVÖLKERUNG WÜRDE BEI DER ZUKUNFTSPLANUNG NUR STÖREN Eine Gelegenheit, die niemand nutzt

Was für eine Gelegenheit. Da wird ein Land über mehrere Jahrzehnte zugrunde gerichtet und in einem Krieg in seine Bestandteile zerlegt, bis sämtliche sozialen und politischen Strukturen zerfallen. Nun herrscht offiziell Frieden in der Demokratischen Republik Kongo, es muss alles neu aufgebaut werden. Es wäre eine gute Chance für die 60 Millionen Kongolesen, über die zukünftige Verfassung ihres Landes zu diskutieren und über Möglichkeiten, die Politik in Zukunft so zu gestalten, dass Machtmissbrauch, Kriegsherrentum und Straflosigkeit der Vergangenheit angehören.

Die zwei Jahre zwischen 2003, als eine Allparteienregierung eingesetzt wurde, und dem mutmaßlichen Wahltermin 2005 erweisen sich aber keineswegs als window of opportunity einer freien politischen Aussprache. Alle wesentlichen Entscheidungen über Machtbefugnisse und -verteilung wurden schon vorher zwischen den Kriegsparteien gefällt, alle wesentlichen Orientierungen über die Prioritäten des wirtschaftlichen Wiederaufbaus entstanden hinter verschlossenen Türen bei Verhandlungen mit Gebern und Investoren. Die Bevölkerung des Kongo ist dabei völlig machtlos. Selbst die neue Verfassung für 2005 wird von einem Parlamentsausschuss unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschrieben.

Es ist zwar überfällig, jetzt Provinzgouverneure einzusetzen und zu versuchen, die im Krieg entstandenen informellen Machtstrukturen durch reguläre Provinzverwaltungen zu ersetzen. Aber funktionieren die Strukturen überhaupt, die da gefestigt werden? Die meisten Provinzen des Kongo sind viel zu groß für die Bedürfnisse ihrer Bevölkerungen, ihre Hauptstädte für die meisten ihrer Bewohner mangels Infrastruktur nicht erreichbar. Kleinere, dezentrale Einheiten wären sinnvoller, aber darüber wird ebenso wenig gesprochen wie über die Frage, ob der Kongo eine föderale Struktur bekommt oder die Provinzgouverneure nur Erfüllungsgehilfen der Zentralregierung sind. Aber weil die internationale Gemeinschaft möglichst schnell „Wahlen“ im Kongo will, fallen diese Probleme eben unter den Tisch. DOMINIC JOHNSON