KOMMUNIKATIONSDESIGN : Die 5 ist zu kalt
In den Scheiben der Wettbüros flimmern die Fußballübertragungen, und der vietnamesische Imbiss, der sich wacker zwischen zwei Hasir-Restaurants hält, ist voll. Nicht nur mit den Köchinnen, die durch ihr Restaurant schreien wie auf dem Fischmarkt in Saigon, nicht nur mit touristischen Gästen, jungen Menschen, die sich heute einmal gegen den Japaner an der Kreuzung entschieden haben, sondern auch mit Stubenfliegen. Keine Ahnung, wo die herkommen.
Die 5, die ich bestellt habe, kommt etwas kalt daher, und bei der jungen Frau, die gegenüber sitzt und sowieso leicht kritisch aus der Wäsche schaut, ist es genauso. Es war kaum noch Platz, also hat man sich neben Fremde gesetzt, Fremden gegenüber. Sie steht auf und moniert ihr Essen. Ich tafele einfach drauflos und hole die Fahnen von dem Roman heraus, den ich gerade lese.
Zwei, drei Stubenfliegen später ist sie wieder da und sagt nichts. Mit am Tisch sitzen drei blutjunge Theaterstudierende und unterhalten sich über René Pollesch, dann über Bastian Sick, so geht das, so sind die Sprünge heutzutage, da werden ein Theateravantgardist und ein Star-Deutschlehrer (der tatsächlich mal die Kölnarena gefüllt hat) fast im selben Atemzug behandelt. Da kommt auch schon die neue 5 meiner Nachbarin.
„Und, besser?“ frage ich. „Wärmer, ja“, sagt sie und isst. Dann möchte sie wissen, was ich lese. Ich erkläre es ihr. Und, lese ich das beruflich oder privat? Beides, sage ich. Wie, beides? Vielleicht schreibe ich eine Rezension, sage ich. Sie erzählt, dass sie Kommunikationsdesign studiert hat. Und die Abschlussarbeit hat sie über Lektüregeschwindigkeit geschrieben. Aber von Henri Bergson (dem Philosophen der Dauer) hat sie noch nie etwas gehört, und dann kleckert sie auch noch auf meine Fahnen. Mit Erdnusssoße. Dafür kann ich mir unter Kommunikationsdesign nichts vorstellen. Wirklich nicht.
RENÉ HAMANN