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KOMMENTAREAlias halber Sieg

■ In Albanien hat die neue Runde des Kampfes um die Macht begonnen

Das Wahlergebnis der ersten „freien“ Wahlen in Albanien, die diesen Namen auch verdienen, hat den Architekten der Öffnung des Regimes, Ramiz Alia, nach außen hin voll bestätigt. Sein politisches Kalkül, mit weitreichenden Reformversprechungen und einem sehr früh angesetzten Wahltermin für die Kommunisten zu retten, was zu retten ist, war trotz seiner persönlichen Niederlage in seinem Wahlkreis für die Partei von Erfolg gekrönt. Die Oppositionsparteien, vor allem die Demokratische Partei, konnten zwar in den großen Städten und vor allem in der Hauptstadt Tirana die Mehrheit gewinnen, auf dem flachen Land aber, dort wo die Herrschaft der kommunistischen Honoratioren noch ungebrochen ist, hatten die Oppositionellen (noch) keine Chance. Doch gerade dies ist paradoxerweise auch für Alia selbst ein Grund, den Wahlsieg kritisch zu betrachten.

Denn zu seiner Strategie gehörte auch, durch die politische Öffnung und die damit verbundenen politischen Turbulenzen die Kommunistische Partei von ihren dogmatischen Verkrustungen zu befreien. Angesichts der Ergebnisse auf dem flachen Lande aber ist allein der konservative Flügel der Partei im Parlament wieder stark vertreten. Andererseits ist Alias vor der Wahl ausgesprochenes Angebot an die Opposition, eine Koalition mit den Kommunisten einzugehen, angesichts der Stärke der orthodoxen Fraktion im Parlament obsolet geworden. Die Führungsspitze der Demokratischen Partei hat jetzt schon auf Opposition gesetzt.

So sieht sich Alia einer politischen Konstellation ausgesetzt, wie sie schon in Bulgarien, in Serbien und auch in Rumänien zu beobachten ist. Die als Sieger aus den ersten „freien“ Wahlen hervorgegangenen, weiterhin reformkommunistisch dominierten Regierungen müssen die gesellschaftlichen und ökonomischen Reformen ohne Bündnispartner in der Gesellschaft und gegen Widerstände aus den eigenen Reihen durchsetzen. Die damit verbundene Krise erzeugt Spannungen in der Nomenklatura, deren Ansehen bei der Bevölkerung sinken wird. Über kurz oder lang wird die Opposition auch in Albanien davon profitieren. Das Spiel um die Macht hat mit den Wahlen erst begonnen. Erich Rathfelder

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