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KOMMENTAREDer Norden wird rot-grün

■ Grüne Wiedervereinigung in Hamburg setzt bundespolitisches Signal

In der Woche nach Ostern feierten Hamburgs Grüne ihre politische Wiederauferstehung. Innerhalb weniger Wochen wurde aus einer starr dogmatischen, ja fast reaktionären Fundi-Festung ein normaler grüner Landesverband, dessen Spektrum von der traditionellen Linken bis zur Bürgerrechtsbewegung und den Ökolibertären reicht. Das ist kein Rechtsruck, sondern neue Vielfalt: Die alte GAL köchelte dumpf in einer seit zehn Jahren nicht neu gewürzten Polit-Suppe. Hinter dem Tellerrand lauerte stets der Feind.

Gerade weil Hamburg eine solide Fundi-Hochburg war, gingen Zerfall und Wiederauferstehung in so atemberaubendem Tempo vonstatten. Der Fall der innerdeutschen Mauer war der Anlaß zur Spaltung, die Spaltung Anlaß zu Zerfall und Neubeginn. Jetzt, wo die Mauern gegenüber der Wirklichkeit eingerissen sind, trifft der Realitätsschock die GAL besonders hart.

Es ist bewundernswert, wie sie den neu eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende geht. Der Neuaufbau einer handlungsfähigen grünen Kraft mitten in einem Wahlkampf, bei dem es ums Überleben geht, ist eine außerordentliche Herausforderung. Ob jenes Drittel der HamburgerInnen, die bereits einmal Grün wählten, das am 2. Juni honorieren wird, steht noch in den Sternen.

Dennoch läßt das grüne Wunder von der Elbe hoffen. Es ist ein unmißverständliches Signal für die Entwicklung auch der Bundesgrünen, die sich am 29. April in Neumünster vor den Toren Hamburgs zu einem der wichtigsten Parteitage ihrer Geschichte treffen.

Das Hamburger Modell verspricht einen Brückenschlag zwischen linker Tradition und Bürgerrechtsbewegung, eine neue Lebendigkeit der oft totgesagten Grünen. In der neuen GAL wird wieder konstruktiv um Inhalte gestritten und nach Lösungen gesucht. Die Ära des tödlichen ideologischen Schwarz-Weiß-Denkens ist zu Ende.

Damit können die Grünen auch endlich wieder Motor jener radikalen gesellschaftlichen Veränderungen werden, für die sie einst angetreten sind. Die Dämmerung der Ära Kohl könnte in der Nordhälfte Deutschlands ihren Ausgang nehmen. Rot- Grün vom Main bis zur Elbe — das ist keine Utopie mehr. Im Europa der Regionen würde die nördliche Hälfte Deutschlands beweisen können, daß ihre politischen Rezepte dem hilflosen Gewurstel der Südstaaten und Bonns überlegen sind. Die Realisierung der Vision des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder, am norddeutschen rot-grünen Wesen könne die Republik genesen, ist nach der GAL-Wende vom vergangenen Sonntag ein Stückchen näher gerückt. Florian Marten

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