KOMMENTARE: Dorniger Weg
■ Eine Woche vor dem Grünen-Parteitag in Neumünster — zaghaft Positives aus NRW
Nordrhein-Westfalens Grüne, jahrelang dominiert vom ewig zu spät kommenden links- grünen Mittelmaß, bewegen sich doch. Waren sie bisher dafür gut, jede wichtige politische Debatte zu führen, jede Entscheidung über tatsächlich brisante Fragen — etwa zu Rot-Grün — erst dann zu treffen, wenn sie niemanden mehr interessierte, gelang es ihnen am Wochende endlich einmal, die rote Laterne der ewig Letzten abzugeben. Der beschlossenen bedingten Abschaffung der Trennung von Amt und Mandat kommt Symbolkraft zu. Signalisiert wird damit der Wille des Landesverbandes, aus politischen Irrtümern tatsächlich Konsequenzen zu ziehen. Das wäre eigentlich eine rundum gute Nachricht für die Grünen, für die Politik schlechthin, beruhte das Votum der Akteure auf Einsicht und der Reflexion politischer Erfahrungen.
Doch die Art, wie die meisten Linken die alte Regelung verteidigten, zeigt, daß die Zustimmung vor allem dem Stimmenpatt, dem machtpolitischen Kalkül geschuldet war. Die Totalblockade jeglicher Veränderung hätte — eine Woche vor dem Bundesparteitag — der Linken insgesamt mehr geschadet als genutzt. Bis zu einem tatsächlichen Neuanfang steht den NRW-Grünen deshalb noch ein dorniger Weg bevor. Ein Teil der Partei verteidigt nur noch politische Identitäten — und ihre eigenen Jobs. Es sind vor allem jene Linke, die von ihrem politischen Ansatz her zur PDS gehören und dort nur deshalb bisher nicht gelandet sind, weil sie klug genug sind zu erkennen, daß der PDS ein Sektendasein bevorsteht. Der Appell an sie, ihren einstigen Häuptlingen Christian Schmidt doch in die PDS oder Thomas Ebermann zur „Radikalen Linken“ zu folgen, muß fehl gehen. Der Partei bleibt für diese Gruppe nur die Möglichkeit der Schadensbegrenzung.
Jene, die bereit sind, die gesamte linke Phraseologie in den ideologischen Giftschrank zu verbannen, um sich dann den tatsächlichen Problemen zu widmen, sind dagegen unverzichtbar, wenn der Neuanfang der Partei gelingen soll. Eine innovative grüne Partei, beherrscht von der Kraft des besseren Arguments, die Politik ohne Rücksicht auf jedweden Lobbyismus betreibt — ganz gleich ob er im unternehmerischen oder im gewerkschaftlichen Gewand daher kommt —, hat Zukunft. Keine andere politische Kraft, keine der anderen Parteien ist zu Vergleichbarem in der Lage. Der Parteitag in NRW hat die Option für diesen Weg offengehalten, vielleicht sogar ein bißchen gefördert — wirklich ernst wird es in Neumünster. Walter Jakobs
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