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KOMMENTARERücktritte

■ Personalwechsel in Paris und Frankfurt

Nicht zuletzt ihre Ungleichzeitigkeit verbindet Frankreich und Deutschland. Das verhindert Langeweile in wohlgeordneten Verhältnissen. Ungleichzeitig die beiden Personalwechsel an Seine und Main: die Ernennung Edith Cressons zur ersten Regierungschefin in der französischen Geschichte und der Abgang von Bundesbanker Karl Otto Pöhl.

Weil Präsident Mitterrand trotz Einsatzes am Golf keinen „neuen Elan“ für die zweite Hälfte seiner Amtszeit sichtet, hat er seinen Premier Michel Rocard in die Warteschleife geschickt, um einen anderen Feldzug zu führen. In seiner Fernseherklärung ließ Fran¿ois Mitterrand keinen Zweifel daran, daß er seine neue Premierministerin vor allem aus außenwirtschaftlichen Gründen ernannt hat: „Es ist keine Zeit zu verlieren“, sagte er. Niemand ist da als Feldherrin so geeignet wie Edith Cresson, die ehemalige Europa-Ministerin mit dem martialischen Wortschatz. „Wir brauchen ein ,Oberkommando‘ des Wirtschaftskriegs, um im Wettbewerb mit den USA und Japan zu bestehen, und auch, um den industriellen Rückstand zu Deutschland zu verringern“, hatte sie gefordert und gewarnt: „Japan ist ein Gegner, der sich nicht an die Spielregeln hält und den absoluten Willen hat, die Welt zu erobern.“ Die erste Maßnahme der neuen Premierministerin wird folglich die Zusammenlegung von Wirtschafts-, Finanz- und Industrieministerium zu einem Superressort sein: eine Art wirtschaftliches Kriegskabinett.

Schon die französische Golfpolitik war nicht zuletzt eine Reaktion auf den Fall der Mauer: Mitterrand wollte zumindest den diplomatischen Rang seiner Nation als Mitglied des Sicherheitsrates bekräftigen. Die Ernennung Edith Cressons ist ein weiteres Zeichen dafür, mit welchem Unbehagen Frankreichs Regierende das durch die deutsche Einheit veränderte Kräfteverhältnis in der EG beobachten. Kaum jemand symbolisierte für Paris die neue, stubenreine Macht der Deutschen so sehr wie der Mann, der jetzt zurückgetreten ist: Karl Otto Pöhl, „le Kaiser du deutschemark“. Seine orthodoxe Hochzinspolitik hat Frankreichs Finanzminister daran gehindert, die Zinsen weiter zu senken, um der Rezession zu begegnen, und ihm indirekt auch einen Preis für die deutsche Einheit abgepreßt. Deutsch-französische Ungleichzeitigkeit: In Frankreich wird mit Edith Cresson das Primat der Politik über die Wirtschaft gekrönt. In der BRD nimmt gleichzeitig jemand seinen Hut, der stets die monetäre Orthodoxie über europapolitische Erwägungen gestellt hat. Nur: Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Pöhl durch sein eigenes Double ersetzt werden. So kann aus der Ungleichzeitigkeit doch noch etwas Gleichzeitiges werden: die Rückkehr des Primats der Nation auf beiden Seiten des Rheins. Alexander Smoltczyk

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