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KOMMENTAREMit Saddam allein gelassen

■ Die USA dürfen ihre Truppen nicht aus den Schutzzonen im Nordirak abziehen

Logistisch gesehen, war es eine beeindruckende Leistung, innerhalb von knapp zwei Monaten 500.000 kurdische Flüchtlinge zu versorgen und sie schließlich wieder in ihre Heimatdörfer zurückzusiedeln. Sieht man einmal davon ab, daß „Operation Provide Comfort“, wie die Alliierten ihre Hilfsaktion nannten, für Tausende von ausgehungerten und zusammengeschossenen Flüchtlingen zu spät kam, war sie erfolgreich. Die Lager im türkisch-irakischen Grenzgebiet sind leer. „Comfort“, was im deutschen „Trost“ oder „Beistand“ heißt, soll jetzt die UNO spenden. Die alliierten Soldaten bereiten sich auf die Heimreise vor, für den militärischen Schutz der Kurden sollen UNO-Soldaten sorgen.

Dagegen wäre nichts einzuwenden, wäre die UNO im Irak nicht selbst in einem hilfsbedürftigen Zustand. In den letzten Tagen haben ihre Vertreter unmißverständlich klargemacht, daß sie nicht in der Lage sind, die 500.000 Heimkehrer in deren meist völlig zerstörten Dörfern ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen: Die internationale Gemeinschaft hat von den benötigten 65 Millionen Dollar bislang ganze 680.000 Dollar bereitgestellt.

Noch weniger ist die UNO in der Lage, den militärischen Schutz der Kurden zu gewährleisten. Was als Ersatz für die alliierten Truppen angepriesen wird, besteht aus 500 leichtbewaffneten „Soldaten“, die bestenfalls als Wachschutz für den UNO-Fuhrpark taugen. Äußerungen von Politikern über die Stärkung und Kompetenzerweiterung der Vereinten Nationen, wie sie derzeit en vogue sind, entpuppen sich angesichts dieser Fakten als Worthülsen. Die klägliche Verfassung der UNO im Nordirak läßt im Sinne der Kurden nur einen Schluß zu: Die alliierten Truppen müssen bleiben, bis über eine Autonomie für die Kurden entschieden ist. Die politische Realität führt jedoch zu einer ganz anderen Conclusio: Das Interesse der USA an eben dieser Autonomie ist gleich null.

Der von den USA in aller Öffentlichkeit angekündigte Abzug der Truppen macht die ohnehin nicht rosigen Aussichten für eine ernstzunehmende Verhandlungslösung zwischen Kurdenführern und Saddam Hussein über eine autonome Region endgültig zunichte. Wenn dann ein durchaus politisch denkender Militär wie US-Generalstabschef Colin Powell seinen Soldaten im Nordirak verspricht, sie sogar noch früher als geplant nach Hause zu holen, kann das die kurdische Verhandlungsdelegation in Bagdad nur als Verrat, Saddam Hussein aber als Bestätigung seiner mit Drohgebärden kombinierten Hinhaltetaktik empfinden.

Den Kurden droht die schlimmste aller Gefahren: demnächst wieder mit Saddam Hussein allein zu sein. Andrea Böhm

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