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KOMMENTAREDer vermeidbare Krieg

■ Westeuropa und die USA tragen Mitschuld am Ausbruch des Konflikts

Jetzt ist also doch eingetreten, was oft befürchtet wurde, aber keiner richtig glauben konnte: Die jugoslawische „Volksarmee“ tritt der nach Unabhängigkeit strebenden Republik Slowenien bewaffnet entgegen. Die krude Denkweise der Offiziere einer Armee, deren Existenz schon lange nicht mehr mit einer „Gefahr von außen“, sondern seit Jahren lediglich mit der Sicherung des Bundesstaates nach innen hin begründet wird, hat sich trotz aller schönen Worte über gewaltlose Konflikregelungsmechanismen und Demokratisierung von Ministerpräsident Marković durchgesetzt: Hinter ihr steht zudem nicht einmal vordringlich die Sorge um den Erhalt des Gemeinwesens, sondern schlicht und einfach der Erhalt von im stalinistischen System angeeigneten Privilegien.

Der Einsatz der Armee in ethnisch gemischten Gebieten Kroatiens, wie etwa in Slawonien, mag noch einen Sinn gehabt haben. Es ging darum, nationalistische Extremistengruppen von bewaffneten Überfällen auf staatliche Organe und von Terror gegen die Zivilbevölkerung abzuhalten.Im Falle der Unabhängigkeit Sloweniens ist die Lage grundsätzlich anders. Slowenien hat am Dienstagabend im Einklang mit der Verfassung einen weiteren Schritt zur Unabhängigkeit getan, auch in dem Wissen, daß sie mit ihrer Proklamation noch nicht erreicht war. Die slowenische Führung wollte mittels dieses Aktes die zentralistische Bürokratie zu Verhandlungen zwingen. Daß die Signale vor allem im Ausland mißverstanden wurden, ist tragisch.

Schuld nämlich an dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts tragen nicht zuletzt die Eurobürokraten Santer und Delors sowie der US-Außenminister Baker. Mit ihrer harten Haltung gegenüber Slowenien und Kroatien und der Unterstützung des Bundesstaates fühlten sich die reaktionärsten Kräfte in der Armee von außen gefördert.

Ob das nun die Absicht der westlichen Regierungen war, sei dahingestellt, es ist aber nunmehr bewiesen, daß die Spitzen der westlichen Diplomatie einer ungeheuerlichen Fehleinschätzung unterlegen sind. Statt die Demokratisierung in den Republiken und damit zivile Formen der Interessensformulierung in dem überaus komplizierten Gewebe Jugoslawiens zu fördern, setzte man allein auf die Bundesregierung in Belgrad und deren einzige Machtbasis, die Armee. Statt ein Auseinanderbrechen des jugoslawischen Staates zu verhindern, haben Brüssel, Paris, Rom, Washington und auch Bonn gerade zum Ausbruch des Krieges und zu seiner Zerstörung beigetragen. Denn wer soll denn nun ernsthaft daran glauben, daß die Slowenen, die Kroaten, die Bosnier, Albaner und Mazedonier nach diesem Angriff auch nur ein Quentchen Verständnis für ein neu formiertes Jugoslawien haben könnten? Erich Rathfelder

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