KOMMENTARE: Krieg oder labiler Frieden
■ Slowenien mußte die Vereinbarung von Brioni unterzeichnen
Es ist dem slowenischen Parlament sicher nicht leicht gefallen, die Vereinbarung von Brioni zu ratifizieren. Denn mit ihm wurde letztlich nur der Status Quo ante hergestellt. Besonders deutlich wird dies im Falle der Grenzposten: Zwar dürfen die Slowenen die Übergänge bewachen, für die Zölle gelten jedoch weiterhin Bundesgesetze. Und die Armee hat weiterhin viele Trümpfe in der Hand: Ihre Truppen bewachen die Grenzen und bleiben im Lande stationiert. Außerdem werden ihre Reihen sukzessive durch erfahrene Berufssoldaten und Reservisten aus Serbien aufgefüllt. Allein die Angst vor einem zweiten, verlustreichen Waffengang hat das slowenische Parlament auf die Kompromißlinie seines Staatspräsidenten Kucan gezwungen. Seine Kritiker sind angesichts dieser Gefahr verstummt.
Unter dem Strich ist also in puncto Unabhängigkeit für Slowenien trotz des mutigen Kampfes nur wenig erreicht worden. Allerdings, und dies wird in Slowenien durchaus nicht unterschätzt, sind dem Lande Sympathien in der europäischen Öffentlichkeit zugewachsen, die sogar ihre Wirkung in Brüssel, vor allem aber in Wien und auch in Bonn zeigten. Zwar hat noch kein Staat Slowenien anerkannt, doch wie nervös die jugoslawischen Militärs allein wegen entsprechender Andeutungen aus Wien und Bonn wurden, zeigt die anhaltende Kampagne gegen die „germanische Gefahr“.Die absurden Vowürfe, ein Viertes Reich wollte Slowenien und Kroatien schlucken, sind der Versuch, die Diskussion über die diplomatische Anerkennung abzuwürgen. Wer wollte sich schon in Österreich und Deutschland, so das Kalkül, einem solchen Verdacht aussetzen, zudem, wenn er auch in Frankreich erhoben wird?
Vor allem für die serbische Öffentlichkeit verfehlt diese Propaganda ihre Wirkung nicht, denn dort sind angesichts der Erfahrungen während des Zweiten Weltkrieges antideutsche Gefühle leicht zu wecken. Im Militär selbst wird mit der Kampagne versucht, die Kampfbereitschaft der Offiziere und Mannschaften nach der vorläufigen Niederlage in Slowenien wieder zu erhöhen. Unter dem Strich sind der Kompromiß von Brioni und seine Ratifizierung in Slowenien postitiv: denn er trägt die Möglichkeit in sich, daß die politischen Institutionen wieder die Initiative zurückgewinnen. Dies kann aber nur gelingen, wenn die Europäer keinen Zweifel daran lassen, daß sie die jetzt getroffenen und die künftigen Verhandlungsergebnisse mit allen Mitteln absichern werden. Erich Rathfelder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen