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KOMMENTAREDie Bundesarmee narrt Den Haag

■ Die Kroatienfrage als Ouvertüre zum nächsten Balkankrieg

Jugoslawien existiert nur noch als zeitgeschichtlicher und geografischer Begriff. Verhandlungen über die „Zukunft Jugoslawiens“ zu führen sind daher lächerlich. Und gefährlich. Denn wer tritt in dem toten Balkanstaat noch als letzter „jugoslawischer“ Retter auf? Die Bundesarmee und gewisse militante serbische Kreise eben, die aus der Konkursmasse ein Großserbien (Serboslawien) errichten wollen. Wer dafür noch eines letzten Beweises bedarf, der nehme die letzte Friedenserklärung von Den Haag zur Hand. Am Donnerstag verpflichtete sich Verteidigungsminister Veljko Kadijevic, seine Bundestruppen würden innerhalb eines Monats ohne Wenn und Aber „Kroatien“ verlassen. In den Niederlanden klopften sich daraufhin die Westeuropäer gegenseitig auf die Schultern: Doch noch etwas in letzter Minute bewirkt. Doch die Armee wird nur jene Gebiete verlassen, die sie als „Kroatien“ anerkennt. General Raseta meinte denn auch gestern überdeutlich: „Wir ziehen uns nur aus der Gegend von Zagreb zurück — mehr ist nicht verlangt worden.“

Den Haag war und ist blauäugig. Der militante Freischärlerführer Vojislav Seselj sagte einmal: „Kroatien ist nicht größer, als was man vom Turm der Zagreber Kathedrale aus übersehen kann“. „Kroatien“, ein balkanischer Zwergstaat. „Warum nicht“, sagen sich die Generäle und lacht sich besagter Seselj ins Fäustchen, „wenn wir dafür die Hauptbeute bekommen?“

Die ist den Generälen und serbischen Chauvinisten immer sicherer. Man weiß vom kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman, daß er „Land für Frieden“ herzugeben bereit wäre, wenn sich damit nur sein Traum vom kroatischen Nationalstaat — wie groß auch immer — verwirklichen ließe. Man weiß auch, daß Europa dem zustimmen würde, um so die völkerrechtlichen Grenzen Jugoslawiens zu wahren und alle zukünftigen Probleme dieser Balkanregion als „innere Angelegenheit“ abtun zu können. Denn solange der innerjugoslawische Krieg nicht Grenzen sprengt, kann Europa damit leben, Nordirland und das Baskenproblem zeigen es doch. Die Kroatienfrage ist nur die Ouvertüre zum nächsten Balkankrieg. Geht das Kalkül der „Faustpfand“-Politik für die Generäle auf, gelingt es, die Republiksgrenzen hin zu Kroatien nach eigenem Gutdünken für ein „Großserbien“ zu verschieben, schafft man es, das heftig umkämpfte Ostslawonien, die Banja und Krajina einem neuen Serbien einzuverleiben, dann ist der Zugriff auf Mazedonien und Bosnien sicher. Ebenso wahrscheinlich wird dann die grausame Vertreibung der zwei Millionen Albaner aus dem Kosovo-Gebiet nach Albanien. Gedankenspiele finden sich dazu bereits in allen Militärschriften und serbischen Tageszeitungen.

Die Bulgaren, die in den Mazedoniern nichts anderes als eine „ostbulgarische Volksgruppe“ sehen, würden Partei ergreifen, Albanien für seine Landsleute im Kosovo ebenso. Serbiens Generäle wiederum würden es auf einen Krieg ankommen lassen. An dieser Entschlossenheit besteht kein Zweifel. Serbische Medien liefern bereits täglich Stoff über die „faschistischen Regime“ in den Nachbarstaaten, die einen „Genozid am serbischen Volke“ planten.

Erst nach der Niederlage Kroatiens — die sich militärisch immer mehr abzeichnet — zu reagieren, wird keinen drohenden Balkankrieg verhindern. Diplomatisch kann nur ein Schritt dieses Szenario aufheben: Jugoslawien wird als Völkerrechtssubjekt von der UNO, der KSZE und EG aberkannt, die derzeitigen Republiks- und Provinzgrenzen (Kosovo und Vojvodina) gelten als „vorläufige Staatsgrenzen“ und Serbien wird in seinen jetzigen Grenzen, und nicht als Nachfolgestaat Jugoslawiens, anerkannt. Zeitgleich warnt man die serbische Führung vor einem militärischen Eingreifen, sollten Truppen, wie derzeit in Kroatien, außerhalb dieser völkerrechtlich verbrieften Grenzen Operationen durchführen. Erst auf dieser Grundlage können dann vorläufige Staatsgrenzen unter Einbeziehung der bisher nicht an Verhandlungen teilnehmenden Nationen, also der Bulgaren, Albaner, Mazedonier, Muslimanen sowie der Völker der Anrainerstaaten und der bereits 1988 von Serbien entmachteten Provinzregierungen festgelegt werden. Diese Konferenzen unter Anteilnahme von KSZE und UNO sollten auf dem Balkan stattfinden. Roland Hofwiler, Budapest

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