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KOMMENTARESchutt abladen verboten

■ Die westdeutsche Atomwirtschaft plant zentrale Atommüllkippe in Greifswald

Die Spekulation der westdeutschen Atomwirtschaft ist ebenso durchsichtig wie schamlos: Im Raum Greifswald, so das Kalkül, wird sich letztlich die große Masse der um ihre Existenz bangenden Kraftwerker gegen den Widerstand einer zwar penetranten, aber kleinen Schar der Besorgten durchsetzen. Die soziale Not im Osten soll als Treibsatz dienen für den Durchbruch in der leidigen Entsorgungsfrage. Man stelle sich einmal vor, nicht den Atomstandort an der Ostsee hätte die Atomgemeinde als ihre zentrale Müllkippe ausgewählt, sondern — sagen wir — Wackersdorf. Großdemos und ein juristischer Hürdenlauf wären vorprogrammiert. Der Plan wäre zum Scheitern verurteilt, noch vor dem ersten Spatenstich.

Überraschend an den Zwischenlagerplanungen ist weniger die Tatsache als solche, als ihre jetzt von Greenpeace veröffentlichte Dimension. Wer bisher annahm, die Atomwirtschaft und insbesondere die Stromkonzerne als Betreiber befänden sich angesichts der stabilen Anti-AKW-Stimmung im Lande bereits auf dem Rückzug, muß sich nun eines besseren belehren lassen. Da will niemand mehr „eine Zukunft ohne Kernenergie erfinden“, wie es Klaus Töpfer nach Tschernobyl empfahl. Keine Spur mehr von der „Übergangsenergie“, die sich bereits mitten in der Abwicklung befindet. So sollte insbesondere die SPD den Greifswald-Paukenschlag verstehen, der da mitten hineindonnert in die Verhandlungen über einen „Entsorgungskonsens“ zwischen den großen Parteien. Wer Zwischenlager bis ins Jahr 2030 dimensioniert, wird auf die Formel vom „Verzicht auf Neubau und Zubau“ von AKWs ernsthaft nicht eingehen können. Sollte dies den SPD-Verhandlern dennoch in Aussicht gestellt werden, so liegt die Spekulation dahinter auf der Hand: Heute kann man viel versprechen, wenn morgen die erhofften Erfolge bei der Energieeinsparung dem Energiehunger hinterherhinken. Spätestens dann wird die SPD ihren Nürnberger Ausstiegsbeschluß von 1986 zu den Akten legen. Über den Termin, an dem der letzte Atomkraftwerker das Licht ausmacht, kann man tatsächlich reden. Was es auf keinen Fall geben darf, ist ein isolierter „Entsorgungskonsens“ ohne verbindliche Absprachen über ein „Gesamtkonzept zukünftige Energiepolitik“ — ohne Atomkraftwerke.

Im übrigen spricht manches dafür, daß die Hoffnung der Atomwirtschaft auf eine reibungslose Einrichtung der zentralen Atommüllkippe Greifswald trügt. Mecklenburg-Vorpommern ist nicht nur Greifswald, und selbst vor Ort wächst der Widerstand. Auch an der Ostsee gilt: Schutt abladen verboten. Gerd Rosenkranz

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