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KOMMENTAREMakabrer Atomdeal

■ Umweltminister Töpfer will Plutoniumwirtschaft in alle Ewigkeit erhalten

Der Zynismus der Bonner Atombürokratie verschlägt einem fast die Sprache. Das Waffenplutonium der Ex-Sowjetunion soll also mit deutscher Hilfe als Brennstoff in Atommeiler wandern. Eine Technik, die unwirtschaftlich ist und selbst bei Atomkraftbefürwortern als umstritten gilt, ist für die Menschen der GUS gerade gut genug. Töpfers Weisung für die Hanauer Atombetriebe von Siemens verleiht ihr noch einmal das Gütesiegel. Siemens, Synonym für die deutsche Plutoniumwirtschaft, soll damit künftig auch in Osteuropa verdienen. Der Glaube an diese deutsche Technik läßt erschaudern.

Jedem Atomphysiker müßte bewußt sein, daß der Einsatz der ungeheuren Mengen sowjetischen Waffenplutoniums für sogenannte Mox-Brennelemente die nuklearen Probleme nicht beseitigt, sondern vergrößert und zeitlich verlängert. Jahrelang müßten alle verfügbaren AKWs mit dem lebensgefährlichen strahlenden Erbe von 40 Jahren atomarer Abschreckung gefüttert werden. Das Ergebnis wäre mehr Atommüll, der auch noch hundertmal länger strahlt. Die Menschen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion wären auf ewig mit dem strahlenden Erbe der realsozialistischen Atomwaffenproduktion gestraft.

Ist die erste Sprachlosigkeit verflogen, stellt man fest: der parallele Vorstoß von Bundesumweltminister Töpfer und Siemens für die Hanauer Plutoniumtechnologie paßt exakt in die atompolitische Landschaft Europas. Für jedes der vielen Atomprobleme werden den Osteuropäern deutsche Gutachten und deutsche Technologie, aber keine Lösung angeboten. Technologie ist lieferbar, Hilfe für ein ökologisch vertretbares Energiesystem nicht.

In Zukunft werden die gleichen Osteuropäer mit den aufgeschobenen Energie- und Atommüllproblemen wieder auf der deutschen Matte stehen. Und die westlichen Technologie- und Know-how- Lieferanten verkaufen noch einmal.

Die Industrie-Parole ist einfach, immanent und fatal: Bereichert Euch! Doch daß Umweltminister Töpfer und seine Beamten am gleichen Strick ziehen, hat Töpfer endgültig und auch für gutgläubige Menschen als umweltpolitischen Vorkämpfer in Osteuropa desavouiert. Besuche in Tschernobyl und das Drängen auf Abschalten im Osten können Glaubwürdigkeit nicht herstellen. Glaubwürdigkeit mißt sich im Handeln. Wer den Osteuropäern wirklich helfen will, muß mit der Atomindustrie brechen. Töpfer hat sich gegen die Menschen entschieden: Er sollte die Konsequenzen ziehen. Hermann-Josef Tenhagen

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