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KOMMENTAREDas Danaergeschenk

■ Der Bundesrat stimmt trotz SPD-Mehrheit für die Steuererhöhung

Die Mehrheit im Bundesrat ist auch ein Danaergeschenk für die Opposition. Sie zwingt zu Mitverantwortung und verhindert Obstruktion.“ An diese Einschätzung Wolfgang Schäubles dürfte sich mancher SPD-Stratege gestern erinnert haben. Spätestens mit dem Desaster um die Mehrwertsteuererhöhung wurde sie für die Bundes-SPD zur schmerzlichen Realität. Fragt sich, warum Engholm und Lafontaine sehenden Auges in diese Niederlage hineinsteuerten.

Daß eine Oppositionsstrategie über den Bundesrat nicht ganz ungefährlich ist, weiß zumindest Oskar Lafontaine seit den Verhandlungen über den Einigungsvertrag. Obwohl der damalige Verhandlungsführer Schäuble den damaligen Kanzlerkandidaten der Opposition bei der Formulierung des Vertrages völlig außen vor ließ, konnte Lafontaine mit seiner Bundesratsmehrheit nichts anfangen. Statt dessen versuchte er die SPD-Fraktion zu einer symbolischen Ablehnung des Vertrages zu vergattern, was diese ablehnte. Ergebnis: Lafontaine war als Kandidat demontiert und konnte von Kohl genüßlich als Gegner der Einheit vorgeführt werden.

Während es der SPD bei anderen Themen gelang, ihre Korrekturmehrheit zur Geltung zu bringen, brach sie erneut ein, als es um eine für den Osten entscheidende Frage ging. Bei der Zubetonierung des Landes verlangte die Bundesregierung ein „Beschleunigungsgesetz“, mit dem Bürgereinsprüche bei Straßenbau und anderen Infrastrukturmaßnahmen ausgehebelt werden können. Die SPD kündigte ihren entschiedenen Widerstand über den Bundesrat an. Doch bereits an diesem Punkt versagten die Argumente der Partei gegenüber der eigenen Landesregierung in Potsdam. Was bei dem Beschleunigungsgesetz noch als Unfall heruntergeredet werden konnte, offenbart sich nun als strategische Schlagseite der Partei. Noch immer hat die SPD-Führung kein alternatives Konzept zur Entwicklung des deutschen Ostens, ja kann sie noch nicht einmal ihre eigenen Leute zur Partei-Loyalität überreden. Stolpe sei erpreßt worden, hört man. Das mag ja sein, doch die SPD hat ihm auch wenig an die Hand gegeben, womit er die „Erpressung“ Waigels hätte zurückweisen können. Das Land Brandenburg ist absolut pleite und unabweisbar darauf angewiesen, daß die Milliarden aus Bonn so schnell wie möglich fließen. Man mag darüber spekulieren, ob Stolpe durch die Debatte über seine angebliche Zusammenarbeit mit der Stasi zusätzlich angreifbar war für die Union, nötig war ein solcher Hinweis nicht.

Mit der gestrigen Niederlage hat sich nun auch Engholm, wie vor ihm Lafontaine, in die Ecke drängen lassen, in der Kohl ihn gerne sehen will. Als reichen Wessi-Politiker, für den die Nöte des Ostens lediglich eine taktische Frage sind. Jürgen Gottschlich

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