KOMMENTARE: Endspiel?
■ Irak will auf Massenvernichtungswaffen nicht verzichten
Kontinuierlich hat sich die Tonlage in der verbalen Auseinandersetzung zwischen UNO- Inspektoren und US-Regierung einerseits und der irakischen Führung andererseits verschärft— und das nicht ohne Grund. Hat doch Saddam Hussein systematisch versucht, die rigiden Auflagen der UNO zu unterlaufen und von seinem Kriegsgerät zu retten, was zu retten ist. Gleichzeitig sind die Inspektoren auf Beweise gestoßen, daß das irakische Atomprogramm die Experimentierphase längst hinter sich gelassen hat. Gestern nun hat Iraks Vizepräsident Tarik Asis die Position des Regimes in aller Offenheit dargelegt: Sein Land sei nicht bereit, in Zukunft auf Massenvernichtungswaffen zu verzichten — und nannte dabei ausdrücklich chemische und biologische Waffen.
Steht nun ein neuer Showdown, ein „Endspiel“ bevor, wie die 'New York Times‘ schrieb? Für diejenigen innerhalb der US-Regierung, die durch einen neuen, begrenzten militärischen Schlag gegen die Produktionsstätten der ABC-Waffen plädieren und hoffen, damit George Bushs Wiederwahl zu sichern, ist das Asis-Interview in der 'Washington Post‘ ein unverhofftes Geschenk mit deutlichem Aufforderungscharakter. Tatsächlich ist die Feststellung des Irakers aber nicht mehr als eine Binsenweisheit weltweiter militärischer Logik. Gegen Rüstung hilft nur Aufrüstung, war nicht nur das Motto der Supermächte, sondern auch ihrer Klientelstaaten im Nahen Osten. Seit dem Golfkrieg rüsten die USA ihre Allianzpartner am Golf erneut auf — keine Region der Welt investiert zur Zeit so viel Geld in Waffen wie die Länder des Nahen Ostens. Daß Israel über Atomwaffen verfügt, ist längst kein Geheimnis mehr, der Iran soll nach Informationen diverser Geheimdienste auf dem besten Weg zur Atombombe sein, und Syrien soll über ein großes Sortiment chemischer Waffen verfügen.
Vielleicht kann Bush das irakische Regime vorübergehend gewaltsam abrüsten lassen. Abgesehen von den Opfern, die das erneut kosten würde, wird diese Strategie mit Sicherheit keine Lösung bringen. Selbst eine Nach-Saddam-Regierung bedeutete sofort eine Wiederaufrüstung, und zwar so lange, wie der Nahe Osten ein waffenstarrendes Pulverfaß ist.
Auch in Washington weiß man natürlich, daß eine Lösung letztlich nur in einem regionalen Interessenausgleich liegt, in den der Irak einbezogen sein muß. Je eher man damit beginnt, um so besser. Der militärische Schlagstock wird sich auch im Irak als pädagogisch untaugliches Mittel erweisen. Jürgen Gottschlich
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