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KOMMENTAREVive la différence

■ Wahlergebnisse in Ost und West differieren stark

Manche Wahlkommentatoren beklagen nun wieder, mit den höchst unterschiedlichen Wahlergebnissen in Ost und West sei die Spaltung der Stadt wieder größer und die unsichtbar gewordene Mauer wieder höher geworden. Aber was ist denn wirklich passiert? Während die CDU im Westen die stärkste Partei blieb, landete sie im Osten nach den Sozialdemokraten und der PDS auf einem kläglichen dritten Platz, der ihr sogar noch beinahe vom Bündnis 90 streitig gemacht wurde. Auch die rechtsextremistischen »Republikaner« gewannen im früheren »Schaufenster des Westens« fast doppelt soviel Anhänger — sie wurden hauptsächlich von Männern gewählt — wie auf ehemaligem DDR- Gebiet. Bei den Bezirksergebnissen ist der Unterschied allerdings noch krasser: Gut fünf Prozent für die »Republikaner« im »rechtsextremen« Marzahn, aber fast 15 Prozent im Arbeiterbezirk Wedding. Das Wahlergebnis hat als öffentliche pädagogische Übung dazu beigetragen, manch bequemes Wessi-Vorurteil über die rechtsradikal eingestellten Ossis auszuräumen. Einschränkend sei jedoch angemerkt, daß zwar das rechtsextreme Wahlpotential im Osten geringer, dafür aber das Aktionspotential dumpfhirniger Schlägertrupps dort größer ist. Darauf haben verschiedene Demoskopen immer wieder hingewiesen. Im Gedächtnis der westlichen Öffentlichkeit blieb jedoch stets nur das Bild vom tumben ausländerfeindlichen Ossi hängen.

Ein doppeltes Ressentiment entlarvt sich selbst. Doppelt, weil sich auch diesmal die schon früher gemachte Erfahrung wiederholte, daß Ost-Berlin eher progressiv und West-Berlin eher konservativ wählt. Und: Die beiden Parteien der Großen Koalition mit zusammen 46,1 Prozent aller Stimmen können im Osten keine Mehrheit mehr für sich reklamieren, während die beiden »originärsten« Ost-Parteien, nämlich PDS und Bündnis 90, mit zusammen 42,3 Prozent fast soviel wie die verheirateten Elefanten bekamen. Man kann darüber staunen, auch ohne die PDS mit ihren starken nostalgisch-autoritären Elementen als progressiv zu klassifizieren. Die Ostberliner haben nun mal gute Gründe, eine eigenständige Vertretung für ihre besonderen Probleme zu wählen. Also: Vive la différence! Das ist ehrlicher als jede Jammerei über die Unüberwindbarkeit der Mauer. Ute Scheub

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