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KOMMENTAREDie Utopie in den Kellern

■ Der serbische Führer Bosniens steckt seine „ethnisch reinen“ Claims ab

Mit einigen Federstrichen malte er sie auf, die neuen Grenzen in Bosnien-Herzegowina. Schon damals, im März dieses Jahres, war es eine gespenstische Szene. Im Holiday Inn in Sarajevo, dort wo sich vor dem Ausbruch des Krieges das serbische „Parlament“ verschanzt hatte, beharrte Serbenführer Karadzic auf seiner Vorstellung von der Kantonisierung der Republik Bosnien-Herzegowina. Selbstredend wurden siebzig Prozent des Staatsgebietes als serbisch deklariert, und das bei einer serbischen Bevölkerung von etwas über dreißig Prozent. Und natürlich wollten die Serben auch einen Zugang zum Meer.

Die Tragödie, die sich jetzt in Bosnien-Herzegowina abspielt, entspringt ganz direkt diesem Denken. Es ist ein Denken, das den citoyen, den Staatsbürger, von vornherein negiert. Ein archaisches Denken, das die Konstitution von „ethnisch reinen“ Nationalstaaten will. Es ist ein, ja, der Begriff paßt doch, ein faschistisches Denken. Eines der Gewalt, der Morde, der Austreibung ganzer Bevölkerungsgruppen aus den mit Waffengewalt eroberten Gebieten. Es gehört zur Tragödie Bosnien- Herzegowinas, daß auch die Kriegsgegner in diesem Denken kreisen. Auch in der von Kroaten beherrschten West-Herzegowina ist ein ethnisch „reiner“ Staat im Entstehen begriffen. Die Muslimanen geraten trotz einer Kriegskoalition auch von seiten der Kroaten immer mehr unter Druck. Und es gehört zur Tragödie Bosnien-Herzegowinas, daß die diesem Staat zugrunde liegende Idee vom gleichberechtigten und friedlichen Zusammenleben aller nur noch in den Kellern Sarajevos und anderer Städte gelebt werden kann. Zwar besteht die Utopie, daß aus diesen Kellern die Kraft eines Neubeginns erwachsen könnte, weiterhin. Doch in absehbarer Zeit herrscht die Macht, die aus den Gewehrläufen kommt. Bosnien-Herzegowina scheint zur Fiktion geronnen, wurden doch die Weichen zu seiner Aufteilung schon vor Monaten in Zagreb und Belgrad gestellt.

Die 1945 ausgehandelten Republikgrenzen wurden vom serbischen Nationalismus nur akzeptiert, solange Jugoslawien bestehen konnte. Neue Grenzen zu ziehen war in Belgrad der entscheidende Antrieb für den Krieg. Daß aber die nationalistische Logik keine Begrenzung kennt, bewies Karadzic mit seiner Vorstellung von den Grenzen. Diese werden nämlich von der anderen Seite so niemals akzeptiert. Ein Interessensausgleich bleibt Fiktion und damit die Katastrophe permanent. Der Kampf um die Grenzen wird den Krieg weiter schüren. Und offen bleibt die schon resignierend zu stellende Frage, ob und wie dem citoyen doch noch zum Sieg verholfen werden kann. Erich Rathfelder

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