KOMMENTARE: Ach, der also auch
■ Der linke Rechtsanwalt Klaus Croissant soll Stasi-IM gewesen sein
Es gibt noch kein Geständnis, aber die Indizienkette scheint lückenlos. Nach Dirk Schneider, Till Meyer und Brigitte Heinrich soll auch der Rechtsanwalt Klaus Croissant die Stasi über die grün-alternative Szene einschließlich der taz informiert haben. Ein halbes Jahr nach Öffnung der Stasi-Akten für die Betroffenen, nach unzähligen Stasi-Skandalen und angesichts der Tatsache, daß Croissant jetzt der vierte prominente Fall innerhalb der westdeutschen Linken ist, neigt man zu der Reaktion, müde die Schultern zu zucken: Na und, bei dem hätte man sich das ja auch denken können. Die Reaktion ist verständlich, ein adäquater Umgang mit der eigenen Geschichte ist sie nicht. Ging es anfangs noch um das berühmte schwarze Schaf, scheint daraus nach und nach eine ganze Herde zu werden.
Ein Grundmuster ist unverkennbar. Mindestens die vier genannten Personen gehören oder gehörten zur radikalen Linken, wollten mit dem System keine Kompromisse machen, sich nicht korrumpieren lassen und gleichzeitig ihre Wahrheiten nicht antasten. Zu diesen Wahrheiten gehörte allerdings auch immer die kategorische Verdammung des Verrats, ein Problem, das innerhalb der Guerilla ja durchaus eine Rolle spielte. Warum also dann selbst zum Verräter werden, sich von einem Geheimdienst instrumentalisieren und bezahlen lassen. Till Meyer und Dirk Schneider haben der taz darüber Auskunft gegeben. Ihre Zusammenarbeit mit der Stasi hatte in ihren Augen mit Verrat nichts zu tun. Man hat sich eben in einem gemeinsamen politischen Ziel gegenseitig unterstützt. Leute, die in Dogmen denken, wissen immer genau, wo gut und böse zu lokalisieren sind. Für Till Meyer war die Stasi nach dem Motto, der Feind meines Feindes ist mein Freund, auf der richtigen Seite. Das dürfte bei den anderen drei (vorausgesetzt, Croissant gehört dazu) nicht viel anders gewesen sein.
Daß sie damit letztlich nicht der Weltrevolution, sondern einem banalen Repressionsapparat gedient haben, wollen die Revolutionäre nicht wahrhaben. Daß sie über Leute aus ihrer persönlichen Umgebung Bericht erstatteten, wurde entweder unter dem Schlagwort, das war ein politischer Gegner, subsumiert oder verdrängt. Was bedeutet schon ein Vertrauensverhältnis, wenn es um den Kampf Sozialismus versus Imperialismus geht? Noch jenseits einer genaueren Schadensanalyse im Einzelfall kann man aus den jetzigen Erfahrungen erst einmal einen generellen Schluß ziehen: Mißtraut den Ideologen, wo ihr sie trefft. Jürgen Gottschlich
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