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KOMMENTARNur ein Symbol

■ Die neue Frauenministerin heißt Ursula Lehr

Sie gilt als zielstrebig und durchsetzungsfähig. Der erste Auftritt von Ursula Lehr in Bonn als neue Ministerin für Frauen und Gesundheit ist gelungen: Sie kann charmant und klug reden wie Rita Süssmuth und glänzt mit Präsenz und Resolutheit wie Hanna Renata Laurien. Aber als Neuling ohne eigene Hausmacht hat sie im Kabinett eine schwache Position. Vermutlich wird sie – wie schon ihre Vorgängerin Süssmuth von ihren aufgeklärten wissenschaftlichen Erkenntnissen so gut wie nichts in die praktische Politik umsetzen können. Frau Lehrs politische Karriere wird daran zu messen sein, ob sie sich gegen Arbeitsminister Blüm, in dessen Haus zahlreiche für Frauen wesentliche Entscheidungen fallen, durchsetzen kann.

Verdächtig ist es, daß die zukünftige Ministerin zu den zentralen politischen Fragen Aids und Beratungsgesetz bis dato keine Meinung äußerte, sondern „Zeit für Einarbeitung“ reklamierte. Wer vorgibt, an diesen Kristallisationspunkten der politischen Auseinandersetzung keinen Standpunkt zu haben, erscheint wenig glaubwürdig. Wer in diesen für das politische Klima in der Bundesrepublik zentralen Fragen keine eindeutig liberale Haltung einnimmt, überläßt das Feld den Hardlinern in der Union, die ihren Kurs sehr klar verfolgen.

Mit seiner Entscheidung zeigt der Kanzler, daß er immerhin ein bißchen lernfähig ist: Mit der Wahl von Ursula Lehr befriedigte er die Modernisierer in der Union, die nach dem Weggang von Süssmuth um ihren einzigen Sitz im Kabinett bangten. Obwohl Ursula Lehr politisches Profil eher wirtschaftsliberale Züge trägt, sind mit ihr auch die Reformer in der CDU zufrieden. Nicht zuletzt zeigt Kohl, daß er kapiert hat: Auch ein frauenpolitisch völlig desinteressiertes Kabinett braucht heutzutage eine Frau als Symbol für Modernität und Fortschritt. Aber Symbole entscheiden keine Politik.

Gunhild Schöller

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