KOMMENTAR: Supermacht Daimler-Mitsubishi
■ Mit der Kooperation zwischen Daimler-Benz und Mitsubishi teilt sich die Welt neu auf
Der Händedruck zwischen Edzard Reuter und Shinroku Morohashi am Mittwoch in Tokio ist zweifellos der bedeutsamste deutsch-japanische Brückenschlag seit 1945. Er markiert das Ende einer Zeit, in der man der deutschen und japanischen Privatwirtschaft Grenzen steckte, weil sie im 2.Weltkrieg Mitschuld getragen hatte. Gleichzeitig eröffnen Daimler-Benz und Mitsubishi die Perspektive einer völlig neuen Unternehmenspolitik, unter der sich die Großen den Weltmarkt nicht mehr streitig machen, sondern ihn in Einflußsphären aufteilen. Nicht zufällig konstituiert das Ende der ideologischen Weltaufteilung den Beginn einer neuen privatwirtschaftlichen Ordnung. Edzard Reuter hat recht, wenn er anläßlich der Mitsubishi- Daimler-Gespräche von einer sich abzeichnenden „fundamentalen Veränderung der Welt“ spricht.
Noch bis vor kurzem erschien der Interessenkonflikt zwischen zwei marktführenden Unternehmen wie Daimler-Benz und Mitsubishi ebenso unüberwindlich wie der Streit der Supermächte. Die Stuttgarter hatten den deutschen Markt gegen den japanischen eindringlich zu verteidigen, und dies galt umgekehrt genauso in Japan. Auch auf Drittmärkten konkurrierte man. Während der achtziger Jahre diente die internationale Konkurrenz den Großunternehmen als Rechtfertigung, um im eigenen Land auf Kosten der Kleineren eine inzwischen unwiderrufliche Vormachtstellung aufzubauen. Daimler-Benz wie Mitsubishi nutzten diese Chance und überwanden die ihnen gesetzten Hürden der Vergangenheit.
In der Auseinandersetzung um die Fusion von Daimler-Benz und MBB wurde in der Bundesrepublik dem Kartellamt das Rückgrat gebrochen. Jenes Amt, das noch von den Gründern der Republik als Schutzschild gegen die Übermacht der Konzerne erdacht wurde, paßt nicht mehr in die neue Zeit. In Japan konnte Mitsubishi eine ähnliche Debatte um die Verschärfung des japanischen Anti- Monopol-Gesetzes überwinden und damit die informellen Entscheidungsstrukturen beibehalten, deren Existenz noch auf die Vorkriegszeit zurückgeht. Gleichzeitig gelang es der neuen Mitsubishi- Führung unter Shinroku Morohashi und Yotaro Iida, die Geschäfte der Einzelunternehmen zu straffen und effizienter zu koordinieren.
Das Ergebnis der Entwicklung ließ nicht lange auf sich warten. Heute hat weder Mitsubishi einen vergleichbaren Konkurrenten in Südostasien noch Daimler in Europa. Das brachte beide zusammen. Wer dabei sieht, wie beide Unternehmen nun ihre Kooperation in der Öffentlichkeit preisen, dem fällt es schwer, Bewunderung zu vermeiden. Weil sie sich nämlich mit ihren gemeinsamen Vorhaben jeglicher politischer Kontrolle entziehen, treten Reuter und seine Mitsubishi-Kollegen bereits heute in der Rolle verantwortungsbewußter Weltpolitiker auf. Sie versprechen Investitionen in der Sowjetunion und Osteuropa, denn nichts ist derzeit dringender. Sie wollen diejenigen sein, die im Westen die Verantwortung auf sich nehmen, die Gorbatschow den westlichen Ländern mit seinen Reformen auferlegt hat. Vorsicht ist dem angeraten, der dieses Angebot aufgrund ideologischer Bedenken ablehnt. Wer will mit Kanzler Kohl und Premier Kaifu die endlosen Fraktionssitzungen ihrer Parteien aussitzen, bevor endlich im Osten Hilfe geleistet wird? Reuter und Morohashi ist zuzutrauen, daß sie zu schnellerem Handeln fähig sind.
Die strukturellen Veränderungen auf dem Weltmarkt, die sich mit der Übereinkunft von Tokio ankündigen, werden allerdings weit über das Gelingen oder Scheitern der Reformen Gorbatschows hinauswirken. Die Größenmaßstäbe, die Mitsubishi und Daimler gemeinsam setzen, müssen andere in Zukunft kopieren. Ein bisher nicht erprobter Konzentrationsprozeß setzt an, von dem niemand weiß, wie vielen er letztendlich Arbeit und Gehalt nehmen wird. Deshalb bleibt es wichtig, jene Lehre des Zweiten Weltkriegs nicht zu verdrängen, die besagt, daß auch wirtschaftliche Entwicklungen der demokratischen Kontrolle bedürfen. Reuter wäre heute schon ein gutes Stück glaubwürdiger, wenn er sich den Forderungen der US- Regierung anschließen würde, die von Unternehmensgruppen wie Mitsubishi eine transparentere, für die Öffentlichkeit einsehbare Entscheidungsfindung verlangen. Hier steht die Zusammenarbeit zwischen Daimler und Mitsubishi bereits heute unter einem schlechten Stern: die Mitsubishi-Unternehmen weigern sich nämlich, ihre Kooperationsbemühungen und gemeinsamen Interessen im Daimler-Geschäft darzustellen. Das Nachkriegsdogma von Mitsubishi, daß es sich bei den Mitgliedsfirmen um vollkommen selbständig agierende Betriebe handele, wird unberechtigt aufrechterhalten. Georg Blume
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