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KOMMENTARMilosevics Rechnung ging auf

■ Serbien bleibt eine bolschewistische Oase

Er kann sich auf die Schulter klopfen lassen. Slobodan Milosevic, der Sieger der serbischen Präsidentschaftswahlen, hat seit Beginn seines kometenhaften Aufstiegs 1987 eine Doppelstrategie verfolgt. Indem er, abweichend von der Tradition des Titoismus, auf den serbischen Nationalismus setzte, gelang es ihm, die anderswo bröckelnde Macht des Bundes der Kommunisten aufrechtzuhalten. Mit dem Wahlsieg ist ihm eindrucksvoll die Bestätigung seiner Strategie gelungen. Die Mehrheit der Wähler in dem ökonomisch krisengeschüttelten Serbien hinter sich zu scharen, war seit der von der jugoslawischen Zentralregierung gegen seinen deutlichen Widerstand betriebenen demokratischen Öffnung nicht mehr selbstverständlich. Die Oppositionsparteien mögen zu Recht die Wählermanipulationen beklagen, die von den sich heute „Sozialisten“ nennenden Kommunisten begangen wurden. Die Grundstimmung im Lande spricht aber immer noch für Milosevic.

Dieser Sieg ist um so erstaunlicher, als die großen Oppositionsparteien einerseits mit Wirtschaftsreformen in Richtung Marktwirtschaft lockten und andererseits auch in der nationalistischen Rhetorik ihren Widersacher übertrumpfen wollten. Wenn jetzt Vuk Draskokvic die Wahlen anfechten will, weil wegen des Boykotts der Kosovo-Albaner alle Sitze aus dem Kosovo den Sozialisten zufallen, dann nur aus einem parteitaktischen Grund. Mit einem grundsätzlichen Umdenken in Richtung demokratischer Kultur, die auch den Minderheiten ihre Rechte verbürgt, hat dieser Zug wenig gemein. Denn die meisten der 44 angetretenen serbischen Parteien wollen das Albaner-Problem mit repressiven Mitteln „lösen“. Immerhin könnte die Diskussion um die Wahlmanipulationen die Chance eröffnen, daß auch in Serbien wieder mehr über Demokratie geredet werden muß, anstatt nur über die beste Art, die größte Minderheit zu unterdrücken. Doch bleibt andererseits gewiß, daß nach der Niederlage Reformkräfte des Ministerpräsidenten Markovic dabei kaum eine unRolle spielen werden. Erich Rathfelder

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