KOMMENTAR: WG-Zimmer ist keine Lösung
■ Hoyerswerda: Zurückzuholen ist richtig, aber zu wenig
Natürlich kann es nicht angehen, sich dem Mob zu beugen. Mit der Realität hat die Meinung der Ausländerbeauftragten Barbara John dennoch nichts zu tun. Die liberale Christdemokratin weiß viel zu gut, daß die Pogromstimmung im sächsischen Hoyerswerda das Ergebnis der vornehmlich von ihren Parteifreunden geschürten Abschiebungsstimmung ist. Dies nicht hinzuzufügen, bringt Frau John in die Ecke der politischen Heuchelei. Der Mob ist nämlich nicht nur in Hoyerswerda, sondern auch auf den Bänken des Bundestags zu finden. Skandalös ist, daß sich die politisch Verantwortlichen diesen Vorgängen nicht entgegenstellen, sondern sie durch Nicht-Handeln fördern. Die Polizei verantwortlich zu machen, ist falsch. Wo der politische Wille fehlt, kann die Polizei beim Friedenschaffen nur scheitern.
Es ist deshalb richtig, diesen fatalen Kreislauf von politischer Verhetzung und aktiver Vertreibung zu durchbrechen und die Flüchtlinge aus Hoyerswerda herauszuholen. Aber eine Lösung kann das nicht sein. Die Aktion »Fluchtburg« hat vor Jahren gezeigt, wie schnell die individuellen Grenzen der Belastbarkeit erreicht sind, wenn fremde Welten aufeinandertreffen. Multikulturelle Gesellschaft — das ist kein freies WG-Zimmer, das sind andere gesellschaftliche Rahmenbedingungen. In der Pflicht steht deshalb der Senat. Er ist für die in Berlin um Asyl nachsuchenden Menschen verantwortlich, auch nachdem sie auf andere Bundesländer verteilt worden sind. Der Senat muß die Rückkehr der Flüchtlinge verlangen, weil in Sachsen die Grundbedingungen einer menschenwürdigen Unterbringung derzeit nicht gegeben, vielmehr Leib und Leben der Asylbewerber bedroht sind. Dafür sollte Frau John eintreten — und mit ihren Parteifreunden Klartext reden. Gerd Nowakowski
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