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KOMMENTARNoch mehr Bewegung

■ Gorbatschows Zielperspektive ist die „atomwaffenfreie Welt“

Mit den von Gorbatschow verkündeten einseitigen Abrüstungsschritten sowie seinen Vorschlägen an Washington, London, Paris und Peking kommt noch weit mehr Bewegung in die internationale Politik als durch Bushs Initiative eine Woche zuvor. Die Vorschläge des US-Präsidenten orientierten sich — obwohl weitreichend — immer noch zu sehr an altem Denken und traditioneller atomarer Logik. Sie waren wesentlich auf Einschnitte im sowjetischen (landgestützten) Potential bei gleichzeitiger Bewahrung der für die Zukunft als „unabdingbar“ erachteten eigenen (see- und luftgestützten) Arsenale zugeschnitten. Ausdrücklich beharrte Bush auf der Beibehaltung der „nuklearen Triade“ wie der Notwendigkeit atomarer „Abschreckung“.

Nichts davon in Gorbatschows Rede. Im Gegenteil: Der sowjetische Präsident nahm ausdrücklich die von ihm 1988 vertretene Zielperspektive einer „atomwaffenfreien Welt“ wieder auf. Sie war in den letzten drei Jahren auch in der sowjetischen Diskussion verdeckt worden durch den Begriff „minimale Abschreckung“ — jenes beliebte, bis heute jedoch undefinierte und durch kein Konzept ausgefüllte Modewort. Es bedeutet einen entscheidenden Bruch mit der bisherigen Logik, daß Gorbatschow seine Initiative nicht nur an die Adresse Washingtons, sondern auch an die der anderen Atommächte richtet. Zwar gab es schon während der INF-Mittelstreckenraketendebatte Anfang der 80er Jahre die Forderung Moskaus nach Berücksichtigung der Potentiale Frankreichs und Großbritanniens. Damals jedoch waren solche Forderungen ohne Chance. Heute haben sich die politischen und militärischen Koordinaten in Europa als auch die bilateralen zwischen Moskau und Washington grundlegend verändert. Die Vision einer wenn auch nicht atomwaffenfreien Welt so doch zumindest eines atomwaffenfreien Europa könnte vor Ende diese Jahrzehntes Realität werden.

Wielange Frankreich und England diesen Prozeß noch verzögern können, hängt wesentlich von der Bundesrepublik ab. Schon ein klares Nein des westeuropäischen Hauptstationierungslandes zu allen Plänen für die „Modernisierung“ flugzeuggestützter Atomwaffen bei der Sitzung der Nuklearen Planungsgruppe der Nato nächste Woche oder spätestens zum Nato-Gipfel Anfang November in Rom könnte eine Entwicklung im Sinne von Gorbatschows Vorschlägen wesentlich beschleunigen. Andreas Zumach

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