piwik no script img

KOMMENTARWenn Großkapitalisten träumen...

■ Noch stehen Daimler-Benz und Mitsubishi alle Möglichkeiten offen

Daimler-Benz und Mitusbishi können verhandeln, was sie wollen. Es glaubt ihnen keiner mehr ein Wort, solange nicht ordentliche Verhandlungsergebnisse auf dem Tisch liegen. Ob in den Unternehmerlokalen in Tokio oder Stuttgart: Jetzt haben diejenigen das Sagen, die den kühnen weltwirtschaftlichen Verheißungen eines Edzard Reuter noch nie ihren Glauben schenkten. Der schwätzte von der „strategischen Allianz“ mit Mitsubishi und der „Globalisierung des Wettbewerbs“ — doch das sind Nägel ohne Köpfe für Deutschlands mittelständischen Unternehmergeist. Schon daheim war den meisten das Mitsubishi-Daimler-Stück eine Nummer zu groß. Und selbst in Tokio lassen sich nun warnende Stimmen vernehmen, die Mitsubishi statt des Höhenflugs mit den Deutschen doch lieber zur Rückkehr in die kooperativen Arme des US-amerikanischen Pragmatismus anraten. Allen voran das berühmte japanische Industrie- und Außenhandelsministerium (MITI) stellt hier einmal seine konservativen Seiten zur Schau.

Doch wir sollten uns von den Kleingeistern in Tokio, Stuttgart oder Frankfurt nicht täuschen lassen. Als Ronald Reagan und Michail Gorbatschow Mitte der achtziger Jahre die Gespräche zwischen den Supermächten wieder aufnahmen, sagte uns niemand die Abrüstungsverträge von heute voraus. Und auch damals blieben die ersten Gipfeltreffen in Genf und Reykjavik ergebnislos, ähnlich wie nun nach den ersten drei Spitzenbegegnungen zwischen Daimler und Mitsubishi noch keine nennenswerten Verhandlungsergebnisse vorliegen. Die Bestandsaufnahme lautet deshalb: Es kann dabei, es muß aber nicht so bleiben.

Wie aber geht die Öffentlichkeit am besten mit dieser unsicheren Lage um? Statt Hohn und Spott über Reuter und seine Mitsubishi-Kollegen zu speien, wie das eine Reihe der reputierlichsten Blätter in den vergangenen Wochen auf internationaler Bühne vorführten, sollten wir lieber weiterhin an die möglichen Folgen denken. Schließlich verhandeln hier nicht Müller und Bäcker von nebenan miteinander, sondern die größten Industrie- und Waffenkonzerne Europas und Asiens. Es ist eben viel einfacher und bequemer, sich ein Scheitern der Verhandlungen vorzustellen, als einen in fünfzehn oder zwanzig Jahren weltweit über den drei Mitsubishi-Karos aufleuchtenden Mercedes- Stern. Könnte der Airbus dann tatsächlich subventionsfrei fliegen, weil in seinem Inneren Mitsubishi-Computer ticken? Welcher Autovertrieb hätte noch eine Chance gegen das internationale Netz der Daimler- und Mitsubishi-Händler? Ganz zu schweigen davon, wer dann den besten Panzer baut.

Noch gleichen die „strategischen Allianzen“ der deutschen und japanischen Management-Elite unter Stern und Karo großkapitalistischen Traumschlössern. Doch auch die Marxsche Prophezeihung von vor über hundert Jahren hatte sich ja eine Zeitlang erfüllt: Schon damals wurden Träumer zu Regenten. Denken wir an die Folgen! Georg Blume, Tokio

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen