KOMMENTAR: Der SOS-Sender
■ Zur Selbstabwicklung des Senders Freies Berlin
Tragisch, wenn die Titanic — im Sinken begriffen — noch einen Schuß vor den Bug bekommt. Fraglich, ob man an Bord des Funk-Hausboots SFB die schrillen Signale noch hört, die jetzt Henning Röhl, Sachsens Fernsehchef, in den Einheitsäther abgegeben hat. Wenn wer dem geplanten neuen ARD-Polit-Magazin aus FNL (-Süd) weichen müsse, dann ja wohl das SFB-Magazin Kontraste, ließ der Christenmensch verlauten. Ruckzuck springen Deutschlands Biermänner der bewährten Sendung bei. Doch beim Ex-Frontstadt- und selbsternannten Hauptstadtsender SFB muckst sich nichts. Zu sehr sind die Führungsetagen und der Rote-Socken-Jäger von Lojewski mit der Selbstabwicklung beschäftigt. Und die vielbeschworene »Mauer in den Köpfen« wächst bei jedem Geblubber des Wortes »Integration« ein Stück höher.
Niemand scheint bei Berlins Landesrundfunkanstalt einsehen zu wollen, daß der Anspruch auf »Alleinvertretung« vielleicht gut in den Kalten Krieg paßte, aber nun nicht mehr. So scheitert die Kooperation mit dem Brandenburger ORB immer wieder daran, daß sich die Ostler im Jahr eins nach Mühlfenzl von schneidigen West-Profis nichts mehr vormachen lassen müssen. Zumal vom Charlottenburger West-Sender nicht viel Ostiges zu hören ist.
Die Einschaltquoten des SFB-Radios befinden sich derweil weiter im freien Fall. Die vielen Programmreformen halten nicht einmal das, was sie versprechen — geschweige denn, daß sie den privaten Dudelwellen irgendeine Hörerin abnehmen könnten. So wurde aus dem erfolgreichen Programm SFB 2 eine Abspuleinrichtung für Pop-Musik, die sich fälschlicherweise »Info-Welle« nennt. Leicht zu verwechseln mit dem privaten »Info-Radio«, und zu allem Überfluß killte man auch noch den einprägsamen Station-Jingle. Nur weiter so. Dann laufen noch mehr Mitarbeiter als jetzt zum ORB über. Aber die kommen ja wieder — wenn sich Brandenburg mit Berlin vereinigt hat. Hans-Hermann Kotte
(Siehe auch Seite 40)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen