KOMMENTAR: Outing? Nein danke!
■ Foto des IG-Metall-Sekretärs auf Flugblatt aufgetaucht
Unter der Überschrift »IG-Metall-Vorstand schützt sexuellen Gewalttäter« ist auf einem uns zugesandten Flugblatt das Konterfei jenes Gewerkschaftssekretärs abgedruckt, über den auch die taz schon mehrfach berichtet hat. Erstellt wurde es womöglich von wütenden Gewerkschafterinnen, denn die dort wiedergegebenen Informationen — Name, bisheriger Arbeitsplatz, zukünftiger Arbeitsplatz — sind Insiderinformationen. Begründet wird dieses Outing folgendermaßen: »Es geht den Männern um ihren eigenen Schutz. Sie bagatellisieren die sexuellen Übergriffe, schweigen sie tot, vertuschen sie. Sie decken sich gegenseitig oder bezichtigen die betroffenen Frauen der Schuld. Im Mittelpunkt stehen die sozialen Folgen für den Täter. Geschwiegen wird über die psychische Zerstörung, die sexuelle Gewalt für die betroffenen Frauen bedeutet. Nennt die Täter beim Namen, zieht sie zur Verantwortung! Kündigung sofort!«
Gut gebrüllt, Löwinnen. Alles, was ihr schreibt, ist richtig, und dennoch liegt ihr falsch. Es ist richtig, den Mann als politische Figur zu outen, genauso wie seine heuchlerischen Chefs in der IG Metall. Aber es ist ebenso gemein wie politisch kontraproduktiv, den Mann wie auf einem Fahndungsplakat abzubilden. Solch eine Bloßstellung von ihm und — indirekt, aber unvermeidbar — auch seiner Familie fokussiert die Debatte auf einen einzelnen Typ. Aber es ist ja gerade nicht der einzelne, sondern es sind Millionen von Belästigern und Sexualtätern, die von ihren Kumpels, Chefs und Gewerkschaftsbossen auch noch geschützt werden. Mit Namensnennung und Foto wird dieser politische Skandal aber privatisiert. Die IG Metaller dürfte es vielleicht sogar freuen, denn sie können sich nun über die Macherinnen des Flugblatts aufregen und gleichzeitig auf das Konterfei zeigen, das ja nicht ihres ist: Ich war's nicht, der ... ... ist's gewesen. Ute Scheub
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