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KOMMENTARNiemand ist ersetzbar

■ Das Freddy-Mercury-Gedenkkonzert erfüllte vollauf seinen guten Zweck

Immer mehr Menschen auf der Welt hören im Radio die gleiche Musik, schauen sich die gleichen Filme im Kino an, lesen die Werke derselben Schriftsteller. Bei der Bewertung dieses Phänomens scheiden sich die intellektuellen Geister: Die einen interpretieren es als Ausdruck eines nimmersatten amerikanischen Kulturimperialismus, der regionale und nationale Identitäten verschlinge. Die anderen glauben in diesem Faktum ein weiteres Indiz für eine bevorstehende friedliche Weltgemeinschaft gefunden zu haben — nach dem Motto: Wer die gleichen Hits auf der Straße pfeift, führt keinen Krieg mehr gegeneinander. Am Montag abend fand im Londoner Wembley-Stadion ein Ereignis statt, das die Vertreter der zweiten Gruppe künftig — zu Recht — anführen dürfen: das Freddy Mercury Memorial Concert.

Eine Milliarde Menschen in über 70 Ländern der Erde haben dieses gigantische Pop-Ereignis zum Gedenken an den an Aids gestorbenen Lead-Sänger der Rock-Gruppe Queen vor dem Fernseher oder im Radio verfolgt. Es ist nur sinnvoll, daß auf das weltweite Problem Aids mit einem global-medialen Großereignis geantwortet wird. Und zwar in einer Sprache, die alle Zuschauer verstehen können: in der Sprache der Rock-Musik. Freddy Mercury war einer der wenigen Musiker, die das Prinzip dieser neuartigen musikalischen Weltumspannung von Anfang an begriffen haben. Queen war die Star-Gruppe des ebenfalls in London ausgerichteten Live-Aid-Konzertes im Jahre 1985. Der Erlös dieses Konzertes kam damals den Hungernden in Äthiopien zugute. Sicherlich ist die Frage berechtigt, ob solche Mega-Konzerte mehr als nur einen karitativen Zweck erfüllen. 30 Millionen Mark für die Aids-Forschung und für Aids-Kranke sind in Anbetracht der Millionen Betroffenen natürlich nicht viel Geld. Aber die Veranstalter haben es zum wiederholten Male fertiggebracht, eine Botschaft unter die Völker zu bringen. Beim Freddy-Mercury-Konzert lautete die Botschaft nicht nur Safer Sex. Sie lautete an diesem Abend vor allem: Kein Mensch ist ersetzbar, der Wunderknabe Mercury schon gar nicht. Viele bekannte Sängerinnen und Sänger sind am Montag abend in die Rolle des Lead-Sängers geschlüpft. Elton John und Liza Minnelli sangen We are the champions, Paul Young interpretierte Radio Gaga. Sie haben das getan, um an Freddy Mercury zu erinnern. Sie haben aber vor allem deutlich gemacht, daß nur Freddy Mercury so schön singen konnte wie Freddy Mercury. Claus Christian Malzahn

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