KOMMENTAR: Déjà vu
■ Die EG-Außenminister wollen keine Verschärfung der Sanktionen gegen Serbien
Die serbisch-jugoslawische Armee scheint die Signale aus Guimaraes verstanden zu haben. In der portugiesischen Stadt gingen die Außenminister der EG-Staaten am Samstag auseinander, nachdem sie beschlossen hatten, vorläufig keine zusätzlichen Sanktionen gegen Serbien zu beschließen. Eine Anerkennung des in der vergangenen Woche proklamierten neuen Jugoslawiens, der Summe von Serbien und Montenegro, komme andererseits nicht in Frage, so die EG-Politiker, vorläufig jedenfalls nicht. Doch wolle die EG ihren politischen Druck auf Serbien verstärken. Wie, das mochten ihre Außenminister nicht verraten. Im übrigen beschloß man, sich am 11. Mai über dasselbe Problem erneut zusammenzusetzen. Kaum hatten die Herren Minister Portugal verlassen, griff die Armee das Zentrum von Sarajevo an, schoß mehrere Moscheen, die Kathedrale, die Hauptpost, die Universität, Parlament und Regierungsgebäude in Flammen und kidnappte am Samstag abend Alija Izetbegović, den frei gewählten Präsidenten der souveränen, international anerkannten Republik Bosnien-Herzegowina. Und am selben Samstag kam der sechste EG-Beobachter des Krieges auf dem Balkan zu Tode.
Die Dynamik erinnert fatal an den vergangenen Herbst. Damals überzog die Armee große Teile Kroatiens mit einem Krieg und trieb Hunderttausende in die Flucht, während die EG im wesentlichen Drohungen ausstieß und zum zweiten, dritten, letzten und allerletzten Mal warnte. Muß Sarajevo wie einst Vukovar in Schutt und Asche gebombt werden, bis sich die EG wenigstens dazu durchringt, dem neuen Jugoslawien, das die alte jugoslawische Armee befehligt, die diplomatische Aberkennung auszusprechen? Müssen noch zehntausende Menschen sterben, bis sich die EG ernsthaft um wirksame Sanktionen bemüht, vor allem um einen Lieferungsstopp des für die Kriegsführung unentbehrlichen Erdöls?
Wegen eines Attentats, das zwei Jahre zurückliegt, gelang es der UNO jüngst, eine internationale Isolierung des libyschen Regimes durchzusetzen. Doch gegen Serbien, dessen Armee heute völkerrechtswidrig täglich fremde Städte beschießt und bombardiert, bringt die Weltorganisation nicht einmal eine Resolution zustande. Der Einwand, sie würde damit ihre eigene Befriedungsstrategie torpedieren und einen Erfolg der Blauhelme gefährden, verliert angesichts der dramatischen Entwicklung in Bosnien-Herzegowina an Gewicht. Und nach der Proklamation des neuen Jugoslawien sind die jugoslawischen Streitkräfte schließlich nun auch förmlich zu einer Armee geworden, die einen fremden Staat besetzt — wie einst Saddam Husseins Armee den Kuwait. Thomas Schmid
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