KOMMENTAR: Ferne Feste, karge Tage
■ Ohne Großveranstaltungen bleibt Berlin ein Dorf
Manchmal fragt man sich, ob in der geplagten Hauptstadt die Berlin-am-Tropf-Mentalität unheilbar ist. Zumindest der Senat demonstriert eine Denkweise, bei der Entwicklung unseres kränkelnden Gemeinwesens immer nur in Tateinheit mit einem Großereignis vorstellbar ist. Der Zuzug der Bonner Minister sei nötig, damit auch der gemeine Berliner mal vernünftig mit der S-Bahn oder Bundesbahn fahren kann. Ohne die Olympischen Spiele wiederum könne der gesundheitsbewußte Berliner seine muskelfördernden Übungen mangels geeigneter Sportstätte ebenso vergessen wie die Hooligans ohne Sport-domes die Hoffnung auf massenhafte Menschenballungen. Bekommt Berlin im Jahre 2000 nicht den Zuschlag für die Paralympics, dann müssen die Behinderten im Regen stehen bleiben, lernten wir nun gestern im Sportausschuß des Abgeordnetenhauses. Man erwarte, so sagt ein Verkehrssenator Haase (CDU), durch die Paralympics »Druck« für eine behindertenfreundliche Umgestaltung der öffentlichen Verkehrsmittel. Sozialsenatorin Stahmer (SPD) fürchtet gar um die »Geschwindigkeit« des behindertenfreundlichen Umbaus der Stadt. Da wundert man sich denn doch. Wäre nicht Verkehrssenator Haase qua Amt der Mann, der auch ohne ferne Paralympics »Druck« auf die BVG machen könnte? Erklären müßte auch Frau Stahmer den 20.000 Rollstuhlfahrern und über 300.000 anderen Behinderten, wo sich denn die ominöse »Geschwindigkeit« des Umbaus manifestiert? Schließlich hat nicht einmal die Großveranstaltung 750-Jahr-Feier vermocht, selbst neuen U-Bahnhöfen Fahrstühle zu verpassen. Soll etwa mit dem Hinweis auf Großveranstaltungen davon abgelenkt werden, daß politische Mandate auch etwas mit Verantwortung zu tun haben? Oder will man den Behinderten nur auf komplizierte Art sagen, daß sie vom Senat bis zum Jahr 2000 nichts erwarten dürfen? Gerd Nowakowski
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