KOMMENTAR: Dabeisein ist alles
■ Geschickt gelingt es der Bonner Koalition, bei der SPD in der Frage zukünftiger internationaler Bundeswehreinsätze einen Einbruch erwarten zu lassen
Hauptsächlich zur Embargokontrolle, nebenbei zur Abschreckung, auch fürs Humanitäre — die Legitimationen für den möglichen Auftritt der Bundeswehr vor der Küste des ehemaligen Jugoslawien sind voller Widersprüche. Aber egal, ein Blick auf den stählernen Zerstörer „Bayern“ genügt und jedermann spürt das Imposante, die kraftvolle Tat. Klaus Kinkel, der bekennende Pazifist mit Hang zum Militärischen, mag eben nicht als Drückeberger gelten.
Die Welt ist seit drei Jahren aus den Fugen. Die Hoffnung darauf, Krieg und Gewalt könnten als Mittel der Konfliktregelung ausgespielt haben, wird derzeit von der Realität unmißverständlich widerlegt. Nicht nur im ehemaligen Jugoslawien provozieren Greuel, Mord und Totschlag die Frage, ob die kämpfenden Parteien überhaupt noch anders als durch militärische Einmischung von Blutbädern abgehalten werden können. Die deutsche Politik erörtert ihre Rolle in der Welt, seit Deutschland größer geworden und in den vollen Besitz seiner Souveränität gelangt ist. Die Verantwortung, so Regierung und Opposition übereinstimmend, ist gewachsen.
Der Einfallsreichtum leider nicht. Der rasch beschlossene Flottenzug im Mittelmeer verbreitet nur den Schein von Handlungsfähigkeit und ist in Wahrheit das bisher traurigste Eingeständnis, daß die mächtigen Staaten der Welt kein Mittel wissen gegen den neuen Nationalismus, gegen Kriege, die die zivile Bevölkerung wie nie zuvor in Mitleidenschaft ziehen. Welchen Effekt die Nato-Schiffe für die Bosniaken, für Sarajevo, auf den Konflikt im ganzen haben sollen, ist zweitrangig — wer fragt überhaupt danach? Die Flotte imponiert, dabeisein ist alles, und jedes der beteiligten Bündnisse, jede beteiligte Nation hat dafür jeweils ganz eigene nationalegoistische Gründe. Die der Bundesregierung sind besonders durchsichtig. Wenn das Kabinett heute die Teilnahme der Bundeswehr an der Nato-Aktion beschließt, dann am allerwenigsten wegen der Situation auf dem Balkan. Die Diskussion der internationalen Gemeinschaft über militärische Eingriffe in dieser Region ist vor allem wohlfeile Gelegenheit, einen innenpolitischen Streit zugunsten der Regierung zu entscheiden. Bis vor wenigen Wochen noch fand der Bundeskanzler, daß deutsche Soldaten im ehemaligen Jugoslawien nichts zu suchen hätten. Der Verteidigungsminister wollte einen behutsamen Dialog mit der Opposition über Blauhelm- und Kampfeinsätze führen und schien geradezu ungewohnt vorsichtig Rücksicht auf die eindeutig negative Haltung der Bevölkerung gegenüber Bundeswehrlern unter UNO-Signet zu nehmen. Jetzt muß alles ganz schnell gehen, denn der Zerstörer „Bayern“, zwar zur Konfliktlösung ganz uneignet, ist aber ein prächtiges Symbol für die Grundsatzfrage an die Opposition. Soll Deutschland dabeisein, oder will die SPD die deutsche Sonderrolle festschreiben?
Und die SPD, treues Kontrabild der Regierung, verschanzt sich ihrerseits hinter Grundsätzen. Sie will nach Karlsruhe gehen, um die Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Ihr Nein zur deutschen Beteiligung klingt hohl, auch wenn es in diesem konkreten Fall ernst gemeint ist. Längst kann man annehmen, daß die führenden Politiker der SPD nicht allzu traurig sind, wenn das Bundesverfassungsgericht die Grenzen für Bundeswehrauftritte weiter steckt, als die Beschlußlage der SPD vorsieht. So hätten alle was vom Zank um den sinnlosen Zerstörer. Verantwortung? Für die Länder des ehemaligen Jugoslawien bleibt alles beim alten, schrecklichen Zustand. Tissy Bruns
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