KOMMENTAR: Mein Gott, Walter!
■ Das Ende einer kometenhaften Karriere
Politik ist ein gnadenloses Geschäft — doch selten hat ein Politiker einen solchen Absturz vollzogen wie Walter Momper, und das durchaus selbstverschuldet. Was, so fragt man sich, hat den Berliner SPD-Chef dazu bewogen, ausgerechnet Generalbevollmächtigter in einer anrüchigen Immobilienfirma zu werden? Glaubte er wirklich, daß die Partei, die er lange Zeit wie ein Duodezfürst beherrschte, das schlucken würde? Die Antwort ist schlicht: Ja, er glaubte das. Ein typischer »Momper«, der ihm diesmal das politische Genick brechen wird. Der Mann, der vom unbedeutenden Kommunalpolitiker einen kometenhaften Aufstieg zum Regierenden Bürgermeister nahm, dem auch noch der Mauerfall in den Schoß fiel, ist berüchtigt für seine einsamen Entscheidungen. Das Bild von der Glatze mit dem roten Schal ging um die Welt und war bald so abgegriffen wie die Tasten eines alten Klaviers, lange bevor der Abgebildete es selbst bemerkte. Im Vorfeld der deutschen Einheit war Momper gern gesehener und hofierter Gast bei den Regierungschefs und Außenministern der vier Siegermächte. Während er durch Paris, London, Washington und Moskau gereicht wurde, war Mompers Zenith jedoch schon überschritten. Die heimische rot-grüne Koalition bröckelte und barst schließlich an den Problemen der deutschen Einheit, die Berlin nahezu unregierbar machten, an der fehlenden Bodenhaftung seiner Regierung und nicht zuletzt an seinem autokratischen Führungsstil. Damals wie heute ließ sich Momper gar nicht oder von den falschen Leuten beraten. Mit dem Wahldebakel vom Dezember 1990 mußte auch er begreifen, daß ironischerweise der Mauerfall, die Stunde seines größten Triumphes, auch die Stunde des beginnenden Niedergangs war. Weder gelang es ihm, in der Großen Koalition ein Senatorenamt zu ergattern, noch fiel der unbedeutende Posten des Olympiamanagers für ihn ab. Torschlußpanik und die alte Autokratie, nur so kann sein jetziger Schritt bewertet werden. Die Partei probt den Aufstand und wird ihn diesmal erfolgreich beenden. Die Prügel, die Momper in Halle bezog, ist noch harmlos im Vergleich zu dem, was ihn jetzt in der SPD erwartet. Es ist das Ende einer politischen Karriere. Kordula Doerfler
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