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Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON SIMONE SCHMOLLACK ZUM NEUEN STREIT ÜBER DAS BETREUUNGSGELD Jetzt wird’s kindisch

Wie wird ein neuer Kompromiss aussehen? Es ist doch jetzt schon verworren

Wann ist das endlich vorbei? Der Koalitionskrach um das Betreuungsgeld zermürbt und nervt allmählich. Dabei will diese unsinnige staatliche Leistung fast niemand in der Republik. Sie steht einer modernen Familien- und Gleichstellungspolitik im Wege, und sie verhindert, dass Kinder aus armen und bildungsfernen Schichten das bekommen, was sie brauchen: kontinuierliche und professionelle Förderung.

Darauf weisen Bildungsexperten in Deutschland hin, seitdem über die „Herdprämie“ debattiert wird. Der Alltag in Ländern wie Schweden und Finnland, wo es das Betreuungsgeld bereits gibt, zeigt klar, wohin sie führt: zu Armut und Chancenlosigkeit. Denn Kinder, die länger zu Hause betreut werden, haben einen Bildungsnachteil gegenüber Kindern, die den Tag in staatlichen Einrichtungen verbringen. Das kann auch in Deutschland so kommen, das belegt jetzt eine Langzeitstudie der Arbeiterwohlfahrt: Wer einmal als Verlierer geboren werde, verliere in der Regel weiter – es sei denn, er werde ausreichend gefördert. Das aber verhindere das Betreuungsgeld.

Warum nutzt man jetzt also nicht die Chance und trennt sich davon? Weil es Horst Seehofer und seine CSU gibt. Der Parteichef hat gerade einen schweren Stand – in der Koalition und in Bayern. In zwei Wochen findet der CSU-Parteitag statt, dort muss Seehofer punkten. Mit einer Niederlage beim Betreuungsgeld könnte er mehr verlieren als nur das umstrittene Taschengeld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen. Darüber hinaus ist das Betreuungsgeld ungerecht. Selbst die Zahnarztgattin mit eigener Praxis, die sich locker eine private Kinderbetreuung leisten kann, bekommt es. Und kann damit die Kinderfrau, das Au-pair-Mädchen oder die Oma bezahlen.

Fraglich ist auch, wie ein neuer Kompromiss aussehen könnte. Praxisgeldabschaffung gegen Betreuungsgeldeinführung? Das Gezerre ist albern geworden.

Als die Debatten vor drei Jahren das erste Mal hochkochten, wurde den Eltern misstraut, sie würden von dem Geld Schnaps und Zigaretten kaufen. So wurde die Gutscheinlösung geboren. Die gefiel auch nicht, also wurde wieder verhandelt. Jetzt müssen die Anspruchsberechtigten die Besuche beim Kinderarzt nachweisen. Aber lesen sie ihren Kindern auch etwas vor, reden und spielen sie mit ihnen? Selbst die Rente ist schon mit dem Betreuungsgeld gekoppelt worden. Spannend, was wohl noch so kommen wird.