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Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON INES POHL

Und wieder einmal sind es die Hessen, die die politische Architektur im ganzen Lande ins Wackeln bringen. Wie bereits im Joschka-Jahr 1985 könnte es sein, dass der hessische Landtag zum Versuchslabor wird, in dem sich entscheidet, ob bei den nächsten Bundestagswahlen Land wie Parteien reif sind für ein erstes schwarz-grünes Bündnis. Ob nach der etwas angestaubten „Berliner Republik“ gerade eine „Frankfurter Republik“ geboren wird.

Bemerkenswert ist vieles an der Tatsache, dass Tarek Al-Wazir für die Grünen und Volker Bouffier für die CDU in Koalitionsverhandlungen gehen. Aus bundespolitischer Perspektive sorgt auch das Timing für Aufregung, fällt es doch mitten hinein in eine Phase, in der sich die Mammutdelegationen von SPD und Union in schwerem Wasser bewegen, auch wenn bei der Kassenfinanzierung ein Kompromiss erzielt wurde. Dabei bleibt Sigmar Gabriel unter Druck. Mag seine Ankündigung, den ausgehandelten Koalitionsvertrag durch einen Mitgliederentscheid absegnen zu lassen, zunächst wie ein smarter Schachzug gewirkt haben, könnte ihm dieses Manöver jetzt böse auf die Füße fallen. Denn der Unmut an der Basis wächst, gerade bei vielen Jüngeren, denen die Zukunft ihrer Partei wichtiger ist als ein Sitz auf der Regierungsbank.

Ein Omen für den Bund

Merkel wird dieses Signal aus Mitteldeutschland für sich zu nutzen wissen. Und der SPD zeigen, dass sie als Koalitionspartner eben nicht alternativlos ist. Denn warum sollte, was im Flächenland Hessen möglich ist, nicht auch auf Bundesebene funktionieren.

Inhaltlich bleibt in Hessen bei allen programmatischen Ähnlichkeiten der Streitpunkt Frankfurter Flughafen. Aber mit Tarek Al-Wazir und Volker Bouffier verhandeln zwei Männer, die sich gut kennen – und einen Koalitionsvertrag bereits in der Tasche haben dürften. Der Profi Al-Wazir weiß, dass mit einer Regierungsbildung die Grünen auch bundesweit zurück im Spiel sind – mit Machtoption.

Was in Wiesbaden ansteht, ist zentral für Deutschland. Denn dort kann etwas spannend Neues entstehen. Und eben nicht eine wohlaustarierte, aber wenig inspirierte Koalition des Pragmatismus.

Es könnte also sein, dass Hessen zeigt, wozu Politiker in der Lage sind, die sich in erster Linie einer Politik des Ermöglichens verschrieben haben. Die bereit sind, sich zu verändern – ohne Angst, als Umfaller deklariert zu werden. Die zeigen, dass auch der ehemalige Klassenfeind zu einem verlässlichen Partner werden kann, wenn es ein gemeinsames Programm gibt. Eine Haltung, von der die SPD in Sachen Linkspartei durchaus etwas lernen könnte.