KOMMENTAR VON GEORG BALTISSEN : Mit Assad keine politische Lösung
Kofi Annan kann den Kopf des syrischen Diktators Baschar al-Assad auch nicht mehr retten, selbst wenn dies als Teil der Mission des UN-Sonderbeauftragten nicht von vornherein ausgeschlossen war. Die Ausweisung der syrischen Botschafter, wie sie Paris und Berlin, London, Rom und andere jetzt beschlossen haben, ist nach 15 Monaten des Aufstandes in Syrien endlich eine angemessene Reaktion auf die Barbarei dieser arabischen Diktatur. Und eine klare Botschaft an Syriens Präsidenten Assad: Tritt ab, wenn du deine Haut und die deines Clans noch retten willst.
Das Massaker von Hula hat ganz offensichtlich zu einer Wende in der Beurteilung des syrischen Regimes geführt. Eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse, wie sie die UN unternehmen, kann Baschar al-Assad auf keinen Fall wollen. Die fragwürdigen Dementis, mit der seine Getreuen jede Beteiligung an der Bluttat abstreiten, können niemanden mehr überzeugen. Das Regime hat jeden Rest an Glaubwürdigkeit verloren. Die Art des Abschlachtens in Hula – zuerst Artilleriebeschuss, anschließend Hinrichtung der Bewohner mit Messern, Pistolen und Kalaschnikows – deutet auf das nur allzu vertraute Vorgehen der Shabiha-Milizen des Regimes hin.
Hula selbst galt als eine Hochburg der oppositionellen Milizen, viele Familien hatten Angehörige in den Reihen der Freien Syrischen Armee. Und Aussagen von Überlebenden, wie sie von der BBC aufgezeichnet wurden, legen nahe, dass Armee und Shabiha die ruchlose Tat gemeinsam ausführten. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Mörder sich aus den von Alawiten bewohnten Dörfern in der näheren Umgebung von Hula rekrutierten.
Dass Kofi Annan mit seiner Vermittlungsmission bei den Machthabern in Damaskus auf Gehör oder gar Einsicht treffen könnte, muss bezweifelt werden. In Syrien zeichnet sich vielmehr ein Bürgerkrieg nach libanesischem Vorbild ab, in dem scheinbar jeder gegen jeden kämpft. Da mischen sich religiös-ethnische Motive mit politischen Präferenzen, schiitische Alawiten werden gegen orthodoxe Christen und sunnitische Muslime ausgespielt. Und natürlich sind auch noch Al-Qaida-Gruppierungen, Dschihadisten und Söldner aller Couleur in diesem Krieg involviert, von Iran und den Golfstaaten einmal abgesehen. Das Regime hat diese Konflikte bewusst geschürt, um sich als überparteilicher Garant des syrischen Staates auszugeben. Diese Lüge ist nach Hula erst recht nicht mehr haltbar.
Nach mehr als 10.000 Toten in der syrischen Revolte können nur verbohrte Geister noch darauf zählen, dass mit dem Assad-Regime eine politische Lösung des Konflikts erreicht werden könnte. In dieser Hinsicht war das Scheitern der Mission von Kofi Annan vorprogrammiert, weil diese davon ausging, dass der Assad-Clan zu einer realistischen Beurteilung der Lage fähig wäre. Doch für ihn zählte immer nur der Machterhalt. Um jeden Preis.
Dennoch muss weiterhin alles unternommen werden, um dem syrischen Volk Hilfe zu leisten – in jedweder Hinsicht, von Nahrungsmitteln über Medikamente bis hin zu physischem Schutz vor der Gewalt des Regimes.
Eine militärische Intervention wie in Libyen will nicht einmal der Westen. Das könnten inzwischen auch Russland und China verstanden haben. Aber ein lang dauernder Bürgerkrieg, wie er sich jetzt abzeichnet, dürfte den russischen und chinesischen Interessen in der Region mehr schaden als ein schneller Sturz des despotischen Assad-Clans. Auch in Moskau und Peking sollte man noch einmal neu nachdenken.